Schlecht aufgelegt (German Edition)
schlafen, Paul links vom Bett, Kuli rechts davon; denn leider gab es in Sophie Müllers sensationell modern eingerichtetem Loft so ziemlich alles, inklusive Kunst ohne Inhalt an den Wänden und Küchenstühle aus Metall auf nur drei Beinen, nur kein Sofa. Aber da hätte ja eh nur einer von ihnen beiden draufgepasst.
Paul und Kuli hatten sich also ihre Schuhe ausgezogen, die restlichen Klamotten angelassen und sich mit jeweils einer Decke und einem Kissen bewaffnet auf das ausgesprochen unkomfortable Parkett gelegt. Das war unter großem Gestöhne und Geächze für etwa zehn Minuten gut gegangen, dann hatte Sophie es albern gefunden, das ganze Bett für sich alleine zu haben, während eine Etage tiefer die Bandscheiben litten, und sie hatte beide darum gebeten, zu ihr hinaufzusteigen und sich doch neben sie zu legen. Kuli hatte sich ein wenig geziert, von wegen er wolle ja auch nicht stören und er wisse ja auch, dass sie sich das eigentlich beide etwas anders vorgestellt hätten, dann aber hatte er sich um einiges flinker als Paul mit seiner Decke direkt neben Sophie gelegt, sodass Paul sich genötigt gesehen hatte, bloß nicht den Anschluss zu verlieren und ebenfalls Tuchfühlung aufzunehmen. So hatten sie dann also wieder eine Weile gelegen, beklommen und benommen von der plötzlichen Nähe zu einer ausgesprochen hübschen und verführerisch duftenden Frau, und hatten an die Decke gestarrt, Paul und Kuli in ihren Straßenklamotten, Sophie in einem Seidenschlafanzug, bis Kuli äußerst bedauernd seine Angst geäußert hatte, aus dem Bett zu fallen, wenn er am Rand schlafen müsse und als Begründung ein Kindheitstrauma angab, wodurch er natürlich in die Mitte durfte und Paul plötzlich weiter von Sophie entfernt war als je zuvor. Und als wäre nicht das allein für Paul schon unerträglich gewesen, verstanden sich Sophie und Kuli offensichtlich auch noch bestens, und er fand irgendwie überhaupt nicht mehr statt und lag im wahrsten Sinne des Wortes einfach nur noch irgendwie so als Randerscheinung in der Gegend herum. Eine Katastrophe war das.
«Und du hast diese, wie heißt sie …?», fragte Sophie.
«Bettina», seufzte Kuli.
«Und du hast diese Bettina dann echt in eine Dönerbude geschleppt? Beim ersten Treffen?»
Kuli zuckte mit den Schultern. Sophie kicherte.
«Ich fand’s okay», sagte er und kratzte sich an der Nase. «Sonst hätte ich das ja nicht gemacht.»
«Ganz ehrlich: Ich hätte das super gefunden», sagte Sophie und lachte. «Das wäre mal so dermaßen anders gewesen als diese ganze Edelrestaurant-Scheiße, in die man sonst so geschleppt wird, was, Paul? Ich finde das echt originell.»
«Wirklich?», freute sich Kuli.
« Du hast doch das Kandinsky vorgeschlagen», meckerte Paul. «Ich wäre ja auch lieber zum Italiener um die Ecke gegangen.»
«Man muss sich halt durchsetzen können», grinste Sophie. Paul grunzte. Jetzt zog sie auch noch Kulis Decke zurecht, damit er schön warme Füße hatte. Paul beschloss, sich dieser gestohlenen Nacht endgültig zu entziehen, indem er den Turteltauben den Rücken zuwandte und sich nach rechts in Richtung Bad drehte, das als einziger geschlossener Raum in das Loft hineingebaut worden war. So sah sein Außenseiterdasein wenigstens einigermaßen freiwillig aus.
«Ach, jetzt sei doch nicht beleidigt, Paul», sagte Sophie und bemühte sich, keinen Lachanfall zu kriegen.
«Wirklich, Paul, das ging doch nicht gegen dich, was die Sophie gerade gesagt hat», versuchte auch Kuli, ihn zu beruhigen.
«Du!», schimpfte Paul und drehte sich abrupt wieder auf den Rücken. «Du! Brauchst! Mir! Nicht! Zu! Sagen! Wie! Sophie! Etwas! Gemeint! Hat! Dass das mal klar ist! Ich war heute Abend mit ihr essen und war witzig und nicht du!»
«Aber ich liege jetzt direkt hier neben ihr in ihrem Bett. Und nicht du», erwiderte Kuli erstaunlich schlagfertig und lachte erst dann herzlich über seine eigene Frechheit, als er bemerkte, dass Sophie neben ihm sich gar nicht mehr einkriegte. Es bebte so dermaßen unter ihrer Decke, dass auch seine unweigerlich bebte und er gar nicht anders konnte, als es sehr schön zu finden, sehr nah an dieser ihm eigentlich unbekannten Frau zu liegen. Das ging ja wirklich nicht gegen Paul. Aber er, Kuli, war halt auch nur ein Mann.
Eine halbe Stunde später hatten sich Kuli und Sophie ihr halbes Leben erzählt, nur Paul hatte keinen einzigen Ton mehr gesagt und lediglich sehr tief in sich hineingeatmet. Irgendwann wusste Kuli gar nicht mehr,
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