Schlecht aufgelegt (German Edition)
gesagt, ich bin ein Goldfisch in einem Teich, und da sind lauter Piranhas um mich herum, und ich soll mich eingraben, und der war echt gefährlich, weil ich das gar nicht kapiert habe, und der hätte mich auch einfach abstechen können, und ich habe nur noch einen Balken.»
«Was ist los?», fragte Sophie, die Pauls gequälten Gesichtsausdruck nicht deuten konnte.
«Kuli hat nur noch einen Balken», gab Paul das wieder, was er verstanden hatte. Sophie nickte verständnisvoll. Das war natürlich schlimm.
«Ich denk, du bist im Kempinski?», fragte Paul dann.
«Quatsch, Kempinski», sagte Kuli. «Berliner Luft. Und die beobachten mich und haben mich noch ein allerletztes Mal gewarnt. Wir sollen die Finger vom Bürger lassen, sonst fressen die uns auf. Paul!»
«Die fressen uns sonst auf?»
«Wer frisst wen auf?», fragte Sophie. Wassili machte das Radio aus.
«Der dreht total durch. Nervenzusammenbruch. Völlig gaga», antwortete Paul und schüttelte den Kopf.
«Echt nicht, ich schwör’s!», rief Kuli am anderen Ende der Leitung. «Ich hab nur Wiener Würstchen gekauft, im Netto, und da kam dann der Blinde und wollte eine Cola, kannte sich aber total aus in dem Laden, ist ja klar, der war ja auch gar nicht blind, der konnte das ja total sehen, wo das alles steht, und der hat mich ganz schön verarscht, aber Kraft hatte der, alter Schwede, hatte der ein breites Kreuz und wahrscheinlich gar keine Schulterpolster!»
«Aha», sagte Paul. «Und jetzt?»
«Ich kann jetzt nicht mehr ins Hotel zurück, verstehst du das nicht, Paul?»
«Nee», sagte Paul.
«Was sagt er?», fragte Sophie.
«Er kann nicht ins Hotel zurück, sagt er», erwiderte Paul missmutig.
«Ich muss bei dir pennen», rief Kuli.
«Aber wir fahren gerade gar nicht zu mir, Kuli», sagte Paul streng. «Wir fahren gerade zu Sophie. Bei mir zu Hause ist gar keiner. Außerdem haben die auch schon meine Wohnung durchsucht.»
«Was, echt?», fragten Kuli und Sophie gleichzeitig. Wassili stellte seinen Rückspiegel verkehrsgerecht ein. Heute gab es für ihn auf dem Rücksitz nichts mehr zu sehen.
«Ja, ich glaube schon», antwortete Paul, dem das eigentlich erst jetzt in aller Deutlichkeit klargeworden war. «Da standen … na ja, da standen ein paar Sachen nicht mehr am richtigen Fleck», führte er aus. Dann explodierte er innerlich. Die Leichtigkeit des Abends, der Rausch der Unbeschwertheit wich seiner gewohnten Anspannung, und das ärgerte ihn maßlos; das war so typisch, da war er einmal, nur einmal guter Dinge, da gab es nur einmal einen Hauch von Hoffnung, einen Hauch von Erlösung, von Abwechslung, von ihm aus auch von Spaß, und dann kam dieser verschrobene Plattenfreak und trat im Handstreich alles kaputt wie ein Kleinkind seine Sandburg. «Wir fahren zu Sophie!», wiederholte er noch einmal knurrend.
«Und ich?», fragte Kuli etwas jämmerlich, sodass Paul die Augen verdrehte.
«Was sagt er?», wollte Sophie erneut wissen.
«‹Und ich›. Fragt er», fauchte Paul wütend.
Sophie Müller dachte einen kurzen Moment nach, dann traf sie eine Entscheidung. «Dein Freund schläft heute Nacht bei mir», bestimmte sie.
«Aber …», wollte Paul widersprechen.
«Paul!», unterbrach Sophie in aller Schärfe und hob den rechten Zeigefinger. «Gib ihm meine Adresse!»
« A lso, ich will wirklich nicht stören», sagte Kuli zufrieden und versuchte anstandshalber, sich ein bisschen schmaler zu machen. Sophie zu seiner Linken klopfte mit der Hand ihre Decke ein wenig flacher und lächelte. «Tust du nicht», sagte sie beruhigend.
«Nee, überhaupt nicht», moserte Paul und verschränkte die Arme vor der Brust.
Kuli lag in der Mitte des zwei Meter breiten Bettes zwischen ihm und Sophie und grinste wieder dieses buddhahafte Grinsen, dass Paul ihm am liebsten die Bettdecke ins Maul gestopft hätte, und zwar der Länge nach und komplett und bis nur noch ein winziger Zipfel zur Mahnung aus diesem runden, freundlichen, harmlosen Gesicht herausgeragt hätte; als Mahnung an alle, dass es nicht ratsam war, ihm, Paul Uhlenbrock, den kompletten, mit drei zu eins Treffern hart erarbeiteten Abend zu versauen, einen Abend noch dazu, an dem er sich solche Mühe gegeben hatte, nicht der Paul Uhlenbrock zu sein, in dem er es sich in den letzten Jahren so gemütlich eingerichtet hatte. Er krallte seine Fingernägel in die Decke und fragte sich, womit er es nur verdient hatte, dass es so weit gekommen war.
Zunächst sollten Paul und Kuli auf dem Fußboden
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