Schlecht aufgelegt (German Edition)
anderen beiden mit großer Gestik zwischen Zurückhaltung und Mitprügeln hin- und hergerissen schienen.
«Es wäre schön, wenn du mit deiner Partei Erfolg hättest», sagte Katharina. «Hier hält man es manchmal nicht aus. Morgens und mittags ist alles still, aber je später es wird, desto weniger traue ich mich auf die Straße. Wenn die Leute besoffen sind, sind die zu allem fähig.»
«In dieser Hinsicht werden wir keinen Erfolg haben», antwortete Henning Bürger leise. «Das Problem ist unlösbar. Du müsstest zum Beispiel den Alkohol verbieten. Und alle anderen Süchte und Sehnsüchte.»
«Dann wäre ich arbeitslos», sagte sie.
«Nicht nur du», fuhr er fort, während die Männer auf der Straße wild gestikulierend voneinander abließen. «Nein, unsere Idee funktioniert nicht, sie basiert auf einer falschen Annahme. Und alle wissen das. Wir auch.»
Katharina trat einen Schritt zurück. «Warum machst du das dann?», fragte sie, «warum bist du nicht Anwalt geblieben? Du warst doch Anwalt, oder?»
«Ja», sagte er. «Ich kann dir ganz genau sagen, warum ich das mache: Ich mache das, weil wir mit unserer Partei für eine halbe Stunde Hoffnung gut sind. Immerhin. Für genau die halbe Stunde, die jemand braucht, um in sein Wahllokal zu gehen und uns seine Stimme zu geben. Er wird glauben, dass sein Leben von nun an besser wird. Dass es gerechter wird.»
«Und dann?»
Henning Bürger zog an seiner Zigarette.
«Dann werden wir gewählt», sagte er und ging zum Spiegel neben der Eingangstür, die nur etwa drei Meter von Katharinas Bett entfernt war. Er betrachtete seine nackte Erscheinung. «Außerdem finde ich es ziemlich großartig, mich im Fernsehen zu sehen», ergänzte er in einem völlig anderen, hoffentlich selbstironischen Tonfall und versuchte sich an einer staatsmännischen Pose.
Katharina stellte sich neben ihn. «Und ich bin deine First Lady», lachte sie und nahm Haltung an. Er betrachtete ihre bunt gepunkteten Fingernägel, dann ihre schwarz gefärbten Haare mit lila Blocksträhnen.
«Siehst du», sagte er, «du willst auch mehr, als du hast. Was weiß ich, vielleicht ist das ja sogar der einzige Grund, warum du mit mir schläfst?»
«Henning …», begann sie, als sein Smartphone klingelte.
Er hob die Hand. «Oh, da muss ich ran.»
Katharina trat zurück ans Fenster. Henning Bürger bewunderte ihren sensationellen Hintern, in den er sich augenblicklich verknallt hatte, als er ihn das erste Mal bei einem Bürgertreff in ihrer Kneipe gesehen hatte. Während er im Hinterzimmer hauptsächlich Männer mit hängenden Augenlidern für seine Partei zu begeistern versucht hatte, hatte sie serviert, sich dabei mehrmals leicht vorgebeugt und ihre Kehrseite ausgestellt; die Leute hatten heftig getrunken und ihm hinterher zugejubelt. Er hasste Veranstaltungen dieser Art, sie widerten ihn an. Aber es war nicht schwer gewesen, Katharina hinterher zum Sex zu überreden. Er verkaufte Träume. Mit seiner Partei und seiner Person.
«Ja, Klaus?», sagte er in den Hörer. Er schwieg für einen Augenblick. « Was hat Manfreds Bruder gemacht?», fragte er dann und bekam einen cholerischen Anfall. «Sag mal, spinnt der? Hat der sie noch alle? Was soll das heißen, der spielt diese Blindennummer öfter? Die sollten die nur beobachten, nicht solche Nummern abziehen. Wie, zum Spaß? Ich komm dir gleich durch den Hörer!», brüllte er und war nur mühsam von dem Mann namens Klaus zu beruhigen. «Na, das ist ja immerhin gut zu wissen», knurrte er dann und versuchte nun selbst, wieder einigermaßen zur Ruhe zu kommen. «Ich hab mir ja gleich gedacht, dass das keine Profis sind. Vielleicht verpissen die sich jetzt einfach und gut ist. Versuch trotzdem, das Geld zu besorgen, okay?»
Er begann, mit einer Hand seine auf dem Boden verstreuten Klamotten einzusammeln. «Das ist mir klar», fauchte er. «Wir bleiben da dran. Im besten Fall landen die Typen im Knast oder was weiß ich wo, ist mir auch scheißegal. Ich darf nur nichts davon wissen, ist das klar? Und Manfred soll seine beschissene Familie und diese komischen Boxarschlöcher mal ein bisschen an der Kandare halten, ja? Gut!»
Er bedauerte, den Hörer nicht auf irgendeine Halterung knallen zu können, und drückte stattdessen ohne ein weiteres Wort die rote Taste. Für einen winzigen Augenblick wollte er dem Impuls folgen, das Telefon gegen die Wand zu werfen, dann hatte er sich wieder im Griff. Er setzte sich auf die Bettkante und zog seine Socken
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