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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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könnten zu einerVerbesserung des Präventionsangebotes beitragen. «
    Diese Schlussfolgerungen nach einem Rücklauf von nur 13Prozent und einer manipulativen Fragestellung zu formulieren, ist mehr als gewagt.
    Anstatt sich mit den methodischen Schwächen zu befassen, wurde die Studie nun bundesweit auf 13 000Ärzte ausgeweitet. Diesmal wurde auch ich angeschrieben. 20Euro wurden für dieTeilnahme geboten. Doch die Antwort auf meine kritische Nachfrage bei dem verantwortlichen Studienleiter Prof. Dr. Sven Schneider ließ wie üblich die Bereitschaft zu einer sachlichen Diskussion in Gänze vermissen. Zu erwarten ist nach » Auswertung « der bundesweiten Studie in den nächsten Jahren eine Kampagne für mehr Lebensstilberatung in der ärztlichen Sprechstunde. Mit der Begründung, die Notwendigkeit dafür sei zweifelsfrei » wissenschaftlich « bewiesen.
    Kaderschmieden für zukünftige Hohepriester
    Eine seriös betriebene Gesundheitswissenschaft würde eine außer Rand und Band geratene Gesundheitsmaschinerie bremsen und auf den Boden derTatsachen zurückbringen. Doch dann würde man nicht mehr zu schillernden Nachhaltigkeits-, Öko-, Bio-, Präventions- und Gesundheitstagen als Redner eingeladen werden und an denTischen Platz nehmen dürfen, woVerbände,Wissenschaftler, Politiker und Sponsoren die einflussreichen Netzwerke pflegen. Man würde Aufträge aus Politik und Industrie verlieren, Impact-Factor-Punkte einbüßen und müsste sich bewusst entgegen der Political Correctness verhalten. Man müsste weiter in alten Institutsräumen arbeiten und Journalisten mühsam die propagandistischen Schlagzeilen ausreden. Das scheint zu viel verlangt zu sein.
    Es gibt zwar auch in den Gesundheitswissenschaften gute Forschungsarbeiten mit interessanten, vielversprechenden Ansätzen, die auch mal gegen den Strom schwimmen. Aber sie haben zurzeit wenig Chancen, sich durchzusetzen.Wer seine Karriere nicht gefährden will, schweigt. Ein Beispiel? Ein Institutsleiter, der in seinen bisherigen Forschungen zumThema Stress gute Ideen entwickelte, lernte mich im Rahmen eines gemeinsamen Buchprojekts und Kongresses zumThema » Führung und Gesundheit « kennen. Wir überlegten gemeinsam, ob ich an einem Forschungsprojekt mitwirken sollte, welches nicht moralische, sondern fachliche Antworten darauf finden wollte, wo sich die wirklichen gesundheitlichen Stellhebel befinden. Er teilte mir jedoch mit, dass meine Mitarbeit zwar inhaltlich wünschenswert, aber strategisch problematisch sei, da sein Institut manchmal auch mit der DGE kooperieren müsse. Seine Antwort war ehrlich und offen.
    Doch es stellt sich die Frage, zu welchen Kompromissen man bereit ist: Kann man guten Gewissens an Kongressen teilnehmen und schweigen, wenn Forscher über Ergebnisse zu sozialer Kontamination berichten, in denen sie behaupten, dicke Menschen würden ihre Umgebung mit Übergewicht anstecken?Wo ist dann die Grenze zu Rassismus in der Forschung?
    Die Lebensstilmoralisten haben das wissenschaftliche Fach der Gesundheitswissenschaften übernommen und diktieren die Agenda. Dabei treffen sie auf keine nennenswerte Gegenwehr. Das verwundert nicht, denn die Fähigkeit, eigene Überzeugungen zu verleugnen, wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Karriere geradezu trainiert (siehe Kapitel » Ideologie verdrängtWissenschaft « ). SelbstWissenschaftler, die diese Fehlentwicklung erkennen, machen aus Angst vor persönlichen Nachteilen mit, auch wenn die Grundregeln des wissenschaftlichen Arbeitens an der Universität Stück für Stück über Bord geworfen werden. Leider erhöht dies sogar nach der Logik der Gruppenmoral ihre Attraktivität. Gesundheitswissenschaftliche Institute mit Bachelor- oder Masterausbildungsgängen, oft mit Fernstudium-Möglichkeiten, sprießen aus dem Boden. Und wir haben inzwischen Zigtausende Studierende,Tendenz steigend.
    Damit folgt der Studiengang Gesundheitswissenschaften den Ernährungs- und den Sportwissenschaften, welche bereits vorgemacht haben, wie an den Universitäten konsequent wissenschaftliche Spielregeln negiert und stattdessen eine weltanschauliche Glaubensgemeinschaft etabliert werden kann, die wichtige Positionen in Politik und Gesellschaft besetzt.Womit müssen wir erst rechnen, wenn dieTausende studierte Gesundheitswissenschaftler, mit Doktor- und Professorentitel, in Amt undWürden die öffentliche Diskussion und damit die Marschrichtung im Gesundheitswesen beherrschen?
    Schon jetzt ist zu sehen, was das bedeuten wird.

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