Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
Sachlich und nicht ideologisch denkende Fachleute werden verdrängt. Gut zu beobachten ist das auf dem Gebiet des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Arbeitspsychologen und -soziologen wissen nach Jahrzehnten guter Forschung heute ganz genau, was Menschen an ihrem Arbeitsplatz krank macht: ein hoher Grad an belastendem Stress. Häufig ausgelöst durch unehrliche Kommunikation, Kontrollverlust, fehlende Wertschätzung und mangelnde Autonomie der eigenen Arbeit. Alles Ursachen, die sehr stark mit einer schlechten Führungskultur zusammenhängen. Verbessert sich diese im Sinne eines partnerschaftlichen Führungsstils, dann sinken die Fehlzeiten und man kann gleichzeitig sogar eine Verbesserung des Betriebsergebnisses sehen. Das ist alles wissenschaftlich belegt. Doch Arbeitspsychologen und Soziologen bekommen zunehmend Konkurrenz von Ernährungswissenschaftlern, Sportmedizinern und Gesundheitswissenschaftlern, und die haben eine ganz andere Vorstellung von Gesundheit. Anstatt die Kultur des Miteinanders und des Führungsstils zu analysieren und mit viel Langmut an Verbesserungen zu arbeiten, werden nun Obstkörbe verteilt, Fitnesstrainer engagiert, Diätprogramme und Herz-Kreislauf-Präventionsseminare angeboten – für Chefs eine willkommene Gelegenheit, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken. Anstatt die Chance zu nutzen, auf guter Forschung aufzubauen und tatsächlich etwas für die Gesundheit der Menschen zu leisten, wird so schlechte Medizin in Form von Ängsten, Zwang und Diskriminierung in die Unternehmen hineingetragen.
Gesundheitsstaat 2020– Wir kommen
Was bedeuten diese Zustände für unseren Alltag und die Zukunft? Eine erste Antwort gibt eine Übersichtsarbeit zumThema » Prävention undTherapie von Übergewichtigen im Kindes- und Jugendalter « aus dem Deutschen Ärzteblatt. Hier zeigt sich deutlich die innere Logik rein moralisch begründeter Gesundheitsansätze.
Zuerst geben die Autoren, allesamt anerkannteWissenschaftler, wieder zu: » keine der genannten Maßnahmen hat eine ausreichende wissenschaftliche Evidenz [Nutzennachweis] « . Dann kommt man zu einer ähnlichen Schlussfolgerung wie die Bielefelder Gesundheitswissenschaftler:
» … aber die bisherigen Präventionsstrategien zur Bekämpfung des Rauchens deuten darauf hin, dass nicht immer gewartet werden muss, bis sich eine spezifische Maßnahme als nachweislich wirksam herausgestellt hat. «
Man sucht nach einer moralischen Begründung, um die wissenschaftlichen Grundregeln verlassen zu können.Weil Rauchen schädlich ist, brauchen wir für den Nutzen unserer anderen Empfehlungen keine Nachweise. Dann fordert man dieser Logik folgend eine Ausweitung des Einflussbereichs:
» Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Maßnahmen derVerhältnisprävention, die gemeinsam mit Ärzten, Public-Health-Experten, Ökonomen, der Lebensmittelindustrie, den Medien und der Politik entwickelt werden, erfolgreicher sind. «
In diesem breiten Bündnis fehlt eigentlich nur noch der Papst. Aber was heißt eigentlichVerhältnisprävention?
» Verhältnisprävention berücksichtigt, dass dieVerantwortung für die Gesundheit nicht nur beim Individuum, sondern auch bei der Gesellschaft liegt. «
Nun vergleichen Sie diese Aussage mit der Aussage der Richterin in Juli Zehs Roman, zitiert am Anfang des Kapitels »Auf den Weg in die Gesundheitsdiktatur«. Man darf also Fragen der Gesundheit nicht der Privatsphäre des einzelnen Bürgers überlassen, sondern die Gesellschaft muss für ihn aktiv werden.Was schlagen die Autoren konkret vor?
» Für die Prävention von Übergewicht istVerhältnisprävention, beispielsweise durch lebensmittelrechtlicheVorschriften, denkbar. Auch könnten der spätere Beginn von Sendezeiten im Fernsehen,Werbeverbot für Lebensmittel in Kindersendungen, dasVerbot von Getränkeautomaten in Schulen, Sonderabgaben für Fastfood oder die Einschränkung der Mobilität (begrenzte Nutzung privater PKW ) wirkungsvoll sein. «
Einschränkung der Mobilität nicht aus Umweltschutzgründen wohlgemerkt, sondern weil diese Menschen, vorzugsweise Übergewichtige, vor den gesundheitlichen Gefahren des Bewegungsmangels beschützt werden müssen, für die es aber selbstredend keines wissenschaftlichen Nachweises bedarf, weil man ja weiß, dass sie stimmen.
Was wird hier eigentlich vorbereitet?Weil Rauchen ungesund ist, sollen wir alle ohne jeden Nachweis gezwungen werden, so zu leben, wie es sich die Herren und Damen an den Universitäten
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