Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
betrieben wird, sich betrogen fühlen.
Das epidemiologische Niveau der führenden Krebsinstitution in Deutschland ist ein wissenschaftlicher Offenbarungseid. Leider stürzen sich auf die Pressemitteilungen und Interviews aus dem Hause des DKFZ nur zu bereitwillig alle Glaubensjünger der Lebensstilmoral, denn diese liefern ihnen ja den wissenschaftlichen Segen für ihre zahllosen Ernährungsbücher, Zeitungs- und Fernsehberichte.Wer mag schon widersprechen, wenn sie auf Aussagen von DKFZ -Wissenschaftlern basieren, die mit felsenfester Überzeugung, ohne jedweden Selbstzweifel oder wenigstens ein kleines Zeichen von Unbehagen verbreitet werden.
Public Health: Die Abschaffung der Wissenschaft
Seit den 1980er Jahren gibt es in Deutschland wieder das Fach Gesundheitswissenschaften, oder auch Public Health genannt, an medizinischen Hochschulen. Erklärtes Ziel ist die Erforschung allenWissens zu Krankheitsverhütung und Gesundheitsförderung, und zwar fächerübergreifend von Medizin über Psychologie bis zu Soziologie. Dazu sollen alle dafür relevanten Gruppen aus Politik undWirtschaft sowie Ernährungs- und Umweltorganisationen zu einer gemeinschaftlichen Anstrengung zurVerbesserung derVolksgesundheit gebündelt werden. Umfassender geht es nicht. Der Anspruch ist klar:Wenn es um Gesundheit geht, kommt keiner anVertretern dieses Fachs vorbei.
DieWurzeln der öffentlichen Gesundheitspflege liegen schon über 100 Jahre zurück, als man sich damals sinnvollerweise mitThemen wie Unterernährung, mangelnder Hygiene oder Seuchen befasste. Im Nationalsozialismus wurde das Fach dazu missbraucht, mit pseudowissenschaftlichen Forschungen über Rassenhygiene akademische Argumente für Diskriminierung und späterVölkermord zu liefern. Deshalb war es nach dem ZweitenWeltkrieg lange verpönt. Heute kann man Bachelor- oder Masterabschlüsse erhalten, ganz nach demVorbild der großen Public-Health-Institute in den USA , allen voran das der Harvard University, an dem sich viele führende Köpfe der deutschen Public-Health-Szene haben ausbilden lassen. Harvard ist die Mutteruniversität der Framingham-Studie, die die gesamte amerikanische Gesundheitspolitik mit Präventionsideologien durchdrang und damit die gesamte westlicheWelt. Insofern wäre es einWiderspruch in sich, würden die Public-Health-Institute nun endlich das machen, wozu sie offiziell da sind: objektiv und unvoreingenommen zu forschen. Dann müssten sie als Erstes den gesamten Gesundheitsschwindel entlarven und damit die fehlende Legitimation der herrschenden Lebensstilmoral.
Es ist schon verblüffend, zu sehen, dass man dies auf der einen Seite anerkennt, sich aber dennoch den zwingenden wissenschaftlichen Rückschlüssen entzieht. Und es kommt noch schlimmer: Man nimmt die fehlenden Nachweise zum Anlass, nun erst recht die Umsetzung von Lebensstilmoral in der Gesellschaft zu fordern.Vielleicht glauben Sie nun, so absurd kann doch keinWissenschaftler argumentieren. Ich wünschte, Sie hätten recht.
Exemplarisch für diese eigenartige Logik möchte ich mit Ihnen eine wissenschaftlicheVeröffentlichung aus der Abteilung für Public Health an der Universität Bielefeld durchgehen mit demTitel » Verlieren wir den Kampf gegen Herzkrankheiten? Argumente für einen Paradigmenwechsel in der Primärprävention « (im Original englisch).
Im erstenTeil der Arbeit stellen die Autoren fachlich völlig korrekt fest, dass die klassischen Framingham-Risikofaktoren bisher wissenschaftlich nicht belegt werden konnten. Die übliche Annahme eines bedeutsamen Einflusses von Cholesterin, Blutzucker, Gewicht, Bewegung oder des metabolischen Syndroms auf die Herzgesundheit ist nach Analyse der Studienlage nicht nachvollziehbar. Sogar den Framingham- und Procam-Score (siehe auch Seite 31f.) beurteilen die Autoren so, wie man es sollte, nämlich kritisch. Und selbst den Fakt, dass viele Programme zur Gewichtsreduktion und Ernährungsänderung auf an sich gesunde Menschen treffen, die zum Beispiel gesund dick sind und durch solche Programme frustriert werden, stellen die Autoren fest. Die Einteilung in die klassischen Risikogruppen mit erhöhtem Cholesterin etc. macht demnach keinen Sinn, weil man das erhöhte Risiko in dieser Gruppe gar nicht nachweisen kann. Die logische Konsequenz wäre nun, nach neuen Ansätzen in der Gesundheitsförderung zu suchen. Doch im zweitenTeil kommt es anders.
Die Bielefelder Gesundheitswissenschaftler halten die Einteilung der Patienten in Risiko- und
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