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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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verständlicher Sprache und Form erstellt und zugänglich gemacht werden. Die Ergebnisse müssen in absoluten Zahlen und nicht mit irreführenden relativen Prozentangaben genannt werden. « Die Petition wurde zurückgewiesen mit der Begründung, dass Patienten die für eine Therapie relevanten Informationen in erster Linie von ihrem Arzt erhielten. Doch genau diese Art von Informationen bekommen Patienten von uns Ärzten viel zu selten. Oft haben wir diese Informationen gar nicht, weil unsere Fachgesellschaften sich nicht professionell darum kümmern oder kein Interesse daran haben. Was Patienten dagegen viel häufiger von ihren Ärzten erhalten, sind von Pharmafirmen gesponserte Hochglanzbroschüren, die meist alles andere als eine sachliche Information darstellen, weil sie beispielsweise häufig mit dem relativen Risiko argumentieren statt mit absoluten Zahlen.
    Für eingreifendeTherapien von Schwerkranken möchte ich noch einmal unterstreichen: Sie wirken in vielen Fällen lebensverlängernd, manchmal sogar heilend wie bei Leukämie. Aber sie werden wahrscheinlich zu häufig und zu unkritisch eingesetzt, sodass sich auch hier in viel zu vielen Fällen der Nutzen in einen Schaden verwandeln kann.
    Die Tradition des Schreckens
    Systematische Fehlbehandlungen und Informationsblockaden haben in der Medizin leider durchausTradition. Sie wurden selbst dann weitergeführt, wenn sie schon längst als Irrtum entlarvt worden waren. Schon in den Anfängen der modernen Medizin im 19.Jahrhundert passierten immer wieder unglaubliche ärztliche Fehlleistungen, die Hunderttausende Patienten das Leben kosteten. Ein bekanntes Beispiel ist die tragische Geschichte des Arztes Ignaz Semmelweis. Er war um 1850Assistenzarzt in der Geburtshilfe des Allgemeinen Krankenhauses inWien. Damals lag der Anteil der Frauen, die in den erstenWochen nach einer Geburt an Kindbettfieber starben, bei bis zu 30Prozent. In demWiener Krankenhaus gab es 2 Abteilungen, in denen Frauen Kinder zurWelt brachten. In der einen, in der auch Ärzte und Medizinstudenten arbeiteten, lag die Sterberate dreimal höher als in der anderen Abteilung, in der nur Hebammen den Frauen zur Seite standen. Semmelweis wollte diesem Unterschied auf den Grund gehen und untersuchte die Frauen auf seiner Arzt-Station noch gründlicher, mit fatalem Ergebnis: Es starben noch mehr Frauen an Kindbettfieber. Den entscheidenden Hinweis bekam Semmelweis, als sich ein befreundeter Kollege während einer Leichensektion mit einem Skalpell schnitt und kurz darauf verstarb. Es lagen die gleichen Symptome vor wie bei Kindbettfieber.
    Medizinstudenten obduzierten täglich die Leichen der am Kindbettfieber gestorbenen Frauen und untersuchten zwischendurch Gebärende, ohne sich vorher die Hände gründlich gewaschen zu haben. Auf dieseWeise übertrugen sie die tödlichen Bakterien– damals allerdings noch nicht bekannt, man sprach zunächst von Leichengift. Die Hebammenschülerinnen hingegen kamen nicht mit Leichen in Berührung, bevor sie zu den Gebärenden gingen. Semmelweis wies seine Studenten daraufhin an, ihre Hände nach der Leichensektion mit Chlorkalk zu desinfizieren. Die Sterblichkeit sank daraufhin auf seiner Station von 12 auf 3Prozent. Nachdem er die Beobachtung gemacht hatte, dass auch die Untersuchung von Mitpatientinnen mit eitrigen Entzündungen dieTodesrate bei den nachfolgend untersuchtenWöchnerinnen ansteigen ließ, führte er eine für die Medizin bahnbrechende Maßnahme ein. Er wies jeden auf seiner Station an, sich die Hände nicht nur nach der Leichensektion, sondern nach jeder Untersuchung zu desinfizieren. Dadurch gelang es ihm, die Sterblichkeit auf 1,3Prozent zu senken. Ein sensationeller Erfolg, der vielen Frauen auf seiner Station das Leben rettete. Semmelweis konnte seinen Erfolg glaubhaft dokumentieren, und er wusste, dass seine Entdeckung Hunderttausenden von Frauen weltweit das Leben retten könnte, würden seine eindeutigen Erkenntnisse von seinen Fachkollegen anerkannt. Jeder Arzt auf derWelt, der eine Geburtenstation leitete, müsste doch freudig seine Entdeckung begrüßen, mit der endlich die hohe Müttersterblichkeit eingedämmt werden konnte. Doch das Gegenteil war der Fall. Semmelweis’ Entdeckung wurde als Majestätsbeleidigung angesehen.Wie konnte ein Arzt schuld sein amTod einer Patientin– ein absurder Gedanke. Man feindete Semmelweis an oder ignorierte ihn, lud ihn von medizinischen Kongressen aus, seine Karriere an derWiener Geburtsklinik war zu

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