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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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Heimkinogruppe, die alte Umkleideräume benutzt haben, weniger Fußpilz bekamen, dann könnten wir alte Umkleideräume als wahrscheinlichere Ursache bestätigen.
    Das bedeutet, ich muss versuchen, durch die Bildung von Untergruppen mein Ergebnis präziser zu deuten. Und wir haben Glück.Wir haben tatsächlich vor Studienbeginn dieTrainingsstätten mit erfasst. Dadurch können wir den Zusammenhang mit den alten Umkleideräumen bestätigen.
    Aber schon tut sich das nächste Problem auf.Wir müssten nun die bereits gestartete Heimkinokampagne stoppen und stattdessen hygienischere Umkleideräume inTurnhallen fordern. Aber da meldet sich der Sponsor, der bereits Gelder für weitere Forschungen an unser Institut überwiesen hat. Mit diesen Geldern wurden schon Computer angeschafft und Mitarbeiter eingestellt. Außerdem ist der Staatssekretär gar nicht begeistert, dass er mit seinem Gesicht für die falschen Maßnahmen geworben haben soll. Sie alle fordern, die alte Studieninterpretation nicht fallen zu lassen, nochmals nachzurechnen beziehungsweise mit einer NaFu-3-Studie zum gewünschten Ergebnis zu kommen.
    Und bei all dem haben wir noch nicht die Nebenwirkungen bedacht.Vielleicht führt ja eine Maßnahme zu weniger Fußpilz, aber leider auch zu mehr Hämorriden, vielleicht ist die Lebenserwartung der Gruppe mit weniger Fußpilz aus rätselhaften Gründen kürzer? Und, und, und…
    Sie sehen, es ist ein langerWeg, bis die Epidemiologie zuverlässige Aussagen darüber machen kann, was tatsächlich eine Rolle spielt und wie man Risikofaktoren identifiziert, derenVermeidung schließlich zu weniger Krankheiten führt. Nur wenn man eine Studie extrem gut plant und durchführt, kann man wie in unserem Fußpilzbeispiel davon ausgehen, dass die Ergebnisse aus unserer Stichprobe auf alle Einwohner Kleinneuburgs übertragbar sind und darüber hinaus auch auf andere Städte. Und selbst dann muss man selbstkritisch bleiben, denn das Ergebnis kann immer noch den wahren Sachverhalt überdecken. Auch kann es unter Umständen schwierig sein, dem Druck von Geldgebern aus Politik undWirtschaft standzuhalten und zu unerwünschten, aber korrekten Ergebnissen zu stehen.
    Der Studien-TÜV
    Studien wie die NaFu-2-Studie sind sehr teuer, dauern lange, haben aber die größte » Beweiskraft « für eine Hypothese. Solche Studien könnte man, wie der MedizinjournalistWerner Bartens vorschlägt, » Champions-League-Studien « nennen.Wenn zum Beispiel dieVergleichsgruppe fehlt, die Stichprobe verwässert oder die Hypothesen nicht klar formuliert wurden, wird es immer unwahrscheinlicher, dass sich die Ergebnisse auf dieWirklichkeit übertragen lassen und daraus abgeleitete Empfehlungen dann auch tatsächlich der Gesundheit nützen. Behauptet etwa jemand öffentlichkeitswirksam, Kiwis schützten vor Krebs und Dutzende Studien hätten das bewiesen, dann ist meist von einer geringen Beweiskraft dieser Studien auszugehen, wenn keine korrekt durchgeführte Interventionsstudie dabei ist. Entgegnet ein anderer, eine Interventionsstudie habe gezeigt, dass derVerzehr von Kiwis das Krebsrisiko nicht senkt, dann kann diese eine Studie, wenn sie eine Champions-League-Studie ist, die anderen ausstechen. Doch probieren Sie mal, in einerTalkshow auf solche Details hinzuweisen.
    Und zugegeben, es ist nicht gerade einfach, die Qualität einer Studie zu erkennen. Auch für Mediziner nicht, da wir keine ausgebildeten Mathematiker sind und komplexereTabellen oder Grafiken oft nicht verstehen. Deshalb beschäftigt sich auch kaum jemand tiefer gehend damit. Und so wird es möglich, dass jeder beiThema X mit großer Überzeugung Studien hochhält und behauptet, diese würden seine Aussagen wissenschaftlich » beweisen « . Da niemand die Studien tatsächlich gelesen hat, fällt es nicht weiter auf, wenn der » Experte « dies auch nicht getan hat. Nicht nur der Laie zuckt ratlos mit den Schultern, auch Ärzte können meist nicht beurteilen, was solide Argumentation und was oberflächliche Augenwischerei ist.
    Der Maßstab: Die Evidenzbasierte Medizin
    Mit der Entwicklung der Evidenzbasierten Medizin ( EBM ) wurde in der 1980er Jahren schließlich ein Bewertungssystem geschaffen, das überprüfbar macht, ob eineTherapie auf solidenwissenschaftlichen Bewertungskriterien und fundierter Statistik basiert. Ausgehend von Kanada setzt es sich auch in Deutschland immer mehr durch. Die Evidenzbasierte Medizin interessiert sich nicht für Experimente oder Zellversuche in der

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