Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
i G ist es, dieVor- und Nachteile medizinischer Leistungen für Patienten und Patientinnen objektiv zu überprüfen, und zwar mit den Methoden der EBM . Finanziert wird das IQW i G aus Beiträgen der gesetzlichen Krankenkassen.
Wenn ein Institut wie das IQW i G eine systematische Übersichtsarbeit durchführt, dann kann meist nur ein Bruchteil der herangezogenen Studien verwertet werden. So hat es zum Beispiel zumThema » Nichtmedikamentöse Blutdrucksenkung durch spezielle Ernährungsformen « 417Studien gesichtet und nur 12 in die Endbeurteilung einbezogen, also 3Prozent, und selbst das nur mit Einschränkungen. Und das ist die Regel.
Eine internationale Institution, die ebenfalls Übersichten mit ausgewiesener statistischer Kompetenz erstellt, ist das Cochrane-Institut. Es hat zum Beispiel zumThema Fett und Gesundheit 16 821Studien ermittelt, von denen zur Beurteilung nur 27, also 0,2Prozent, herangezogen wurden. Man kann davon ausgehen, dass der Prozentsatz an Champions-League-Studien sich in diesen Bereichen bewegt. Das ist kein Ruhmesblatt für die medizinische Forschung, aber Realität. Doch nur Übersichtsarbeiten auf der Basis von Champions-League-Studien geben die Sicherheit, dass Empfehlungen an die Bevölkerung auch derWirklichkeit standhalten können. Alles andere ist aus wissenschaftlicher Sicht Spekulation.
Die Forellenstudie
2Wegbereiter der mathematischen Hypothesenüberprüfung, Jerzy Neyman und Egon Pearson, formulierten 1933 den wichtigen Satz: » KeinTest, der auf einerWahrscheinlichkeitstheorie beruht, kann von sich aus nützliche Belege für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Hypothese liefern. « Das bedeutet, den letzten Beweis kann Statistik gar nicht liefern. Klingt kompliziert, aber ein einfaches Beispiel macht diesen Zusammenhang klar.
Nehmen wir an, wir haben einen Fischköder entwickelt, von dem wir glauben, dass er besonders gut Forellen anzieht.Wir wollen dies im Rahmen einer kontrollierten Studie testen. Dafür werfen wir die Angel mit dem Köder 100-mal in den Fluss, an 10verschiedenen Stellen und an verschiedenenWochentagen.Wir betreiben viel Aufwand, um den Zufall bei der Bewertung unserer Fangergebnisse auszuschließen.Wenn wir zusammenrechnen, was wir mit dem neuen Köder gefangen haben, kommen wir auf einen Forellenanteil von 63Prozent. Klingt nicht schlecht, aber etwas können wir nicht wissen, obwohl es für unser abschließendes Urteil wichtig ist:Wir kennen nicht den Anteil von Forellen an der Gesamtmenge der Fische im Fluss. Beträgt der Anteil nur 10Prozent, ist das Angelergebnis von 63Prozent hervorragend und spricht für dieWirksamkeit des Köders. Liegt der Anteil bei 80Prozent, spricht unser Angelergebnis mit 63Prozent eher dafür, dass der Köder Forellen verscheucht.
Nun kann man ins Labor ein Aquarium stellen, es mit Fischen füllen, von denen 50Prozent Forellen sind. Mache ich hier meine Angelversuche mit dem Forellenköder, kann ich den Erfolg besser einschätzen. Angle ich über 50Prozent Forellen, wirkt er, bei weniger als 50Prozent ist er nicht so gut. Aber auch bei diesemVersuchsaufbau fehlt etwas: Es sind die Einflussfaktoren der Natur, die ich mit meinem Laborversuch ausgeschaltet habe und die das Ergebnis stark beeinträchtigen können. Denn vielleicht verhalten sich Forellen unter bestimmtenWind- und Strömungsverhältnissen anders, oder dieWassertemperatur spielt eine Rolle. Man kann es drehen und wenden, wie man möchte, statistische Studien können niemals den ultimativen Beweis dafür liefern, ob eineTherapie tatsächlich hilft. Sie können nur dieWahrscheinlichkeit angeben.
Wahre Statistikexperten werden nicht müde, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen. Das gilt ganz besonders bei Ergebnissen des Studien- TÜV , die zu D-, C- oder auch B-Empfehlungen führen. Doch selbst bei einem Empfehlungsgrad A, der auf regelkonformen systematischen Übersichtsarbeiten basiert, bleibt ein Restrisiko. Je nach Empfehlungsgrad bieten sie aber dennoch eine gute Orientierung für den Praktiker bei der Beurteilung der Frage, welche Chance eineTherapie für seine Patienten bietet. Aber ob der Forellenköder tatsächlich einen guten Fang beschert, entscheidet am Ende der Angler selbst.Wenn ich also auf der Basis einer gut gemachten Studie vermute, dass unser Forellenköder tatsächlich wirksam ist, gebe ich ihn einem erfahrenen Angler, der schon in der fünften Generation an diesem Fluss angelt. Ich lasse ihn ein ganzes Jahr lang mit diesem Köder angeln und
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