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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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hielt zwei Wochen durch. Dann war mir das Links-gehen-rechts-stehen-Gebot in Fleisch und Blut übergegangen. Dass Francesca mich immer wieder schimpfte, wenn ich sie auf der Rolltreppe rüde zur Seite zog, war mir egal. Hauptsache nicht mehr diese Blicke.
    Seit Jahren weist die Statistik München als eine der sichersten Großstädte Deutschlands aus. Und wenn man die Münchner auf ihren Rolltreppen so beobachtet, dann bekommt man eine Ahnung, dass das nicht nur mit einem funktionierenden rigiden Polizeiapparat zu tun haben könnte. Im Gegenteil, die Münchner, die bringen ihre Ordnung auch ganz gut ohne Polizisten an den Mann. Die sind einfach so. Wenigstens konnte ich mich bei Thomas am Telefon ausweinen.
    »Mensch, Thomas, München schafft mich.«
    »Ich hatte dich gewarnt.«
    »Aber nicht vor allem! Ich meine, es gibt Tage, an denen kriege ich es nicht einmal hin, mir eine Fahrkarte für die S-Bahn zu kaufen.«
    »Wieso das denn?«
    »Wenn ich’s wüsste, würde ich’s besser machen. Du stehst an diesen Automaten, und da gibt es Zonen und Ringe, Innenräume, Außenräume, Gesamtnetze und XXL -Fahrscheine und Streifenkarten. Für jede Ausnahme eine Regel. Kein Mensch blickt da durch. Ich glaube, das ist in Wahrheit ein geheimer Code. Wie bei Dan Brown. Und wenn du ihn knackst, dann erfährst du, wie dieser bayerische Märchenkönig im Starnberger See ertrinken konnte, obwohl ihm das Wasser nur bis zu den Knien ging. Aber diesen Code hier, den knackt niemand.«
    Beim Verkauf ihrer Fahrkarten setzt der Münchner Verkehrsverbund auf ein außergewöhnliches Mittel: totale Verwirrung. Um diese in höchstmöglichem Maß zu erreichen, wurde das Münchner Streckennetz in Zonen unterteilt. Die weiße Zone, die grüne Zone, die gelbe Zone und die rote Zone. So weit, so gut. Doch schon jetzt beginnt es kompliziert zu werden, denn die Zonen wiederum sind in Ringe unterteilt. Pro Zone gibt es vier Ringe. Viele Menschen an den Fahrkarten-Automaten fragen sich verzweifelt: Warum? Ja, warum? Ich hatte auch keine Ahnung. Und das machte mir Angst. Denn obwohl sich die MVG alle Mühe gegeben hat, so viele Informationen wie möglich auf den Anschlägen an den Fahrkartenautomaten anzubringen, blickte ich nicht durch. Ich hatte studiert. Doch am Tarifwesen der MVG scheiterte ich, und es war kein Trost, jeden Tag zu erleben, dass es anderen Menschen ebenso erging. Es gibt in München Zonenfahrscheine, Fahrscheine für den Innenraum, den Außenraum und das Gesamtnetz. Und dann ist da noch die XXL -Zone. Die nicht etwa größer ist als das Gesamtnetz, wie der Name suggeriert, sondern den Innenraum und die erste Zone des Außenraums umfasst. Hilfe! Und Hilfe kam. In Form von Hubert. Oder Hubi, wie ihn seine Trinkerfreunde im Untergeschoss der S-Bahnstation Rosenheimer Platz liebevoll riefen.
    Eines Tages standen Francesca, Oskar und ich mal wieder ahnungslos vor dem Fahrkartenautomaten und tippten verzweifelt alle möglichen Angebote durch, um herauszufinden, mit welchem der Fahrscheine wir am günstigsten in einen nahe gelegenen Wildpark fahren konnten, als hinter uns eine schnarrende Stimme ertönte:
    »Grüß Gott, brauchen S’ Hilfe?«
    Ich drehte mich um und blickte auf ein kleines Männlein. Er musste um die fünfzig Jahre alt sein. Seine grauen Haare standen in ungewaschenen Zotteln nach allen Seiten hin ab. Er war ein Penner.
    »Ja, schon.«
    »Wo wollen S’ denn hie?«
    »Nach Poing«, antwortete ich.
    »Zum Wildpark«, ergänzte Oskar mutig.
    »Poing? Da nehmen S’ am besten die Partner-Tageskarte XXL . Die kostet 12,30 Euro. Da können S’ hin und zurück. Und sogar noch bis morgen früh um sechs Uhr damit fahren. Mit den Einzelfahrscheinen kommen S’ teurer.«
    »Danke.« Ich war erstaunt und suchte die empfohlene Karte. Tatsächlich, der Mann hatte recht. Es war der günstigste Fahrschein für unsere Fahrt. Ich bezahlte. Wenig später druckte der Automat den gewünschten Fahrschein und das Restgeld klimperte in die Ausgabe.
    »Hätten S’ vielleicht ein wenig Kleingeld übrig?«, schnarrte es hinter mir. Der Mann grinste und hielt mir seine Hand entgegen. Wie konnte ich Nein sagen? Ich gab ihm ein paar Münzen des Wechselgeldes, und wir zogen von dannen. Während der Fahrt mit der S-Bahn dachte ich darüber nach, was für eine clevere Geschäftsidee sich der Mann überlegt hatte. In den folgenden Tagen und Wochen begegnete ich ihm öfter, und immer, wenn ich am Automaten nicht weiterwusste, wandte ich mich

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