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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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vertrauensvoll an ihn. Seine Informationen waren ohne Fehl und Tadel. Nach und nach lernte ich mehr über das komplizierte Münchner Tarifsystem. Zum Beispiel, dass die Ringe und Zonen nichts miteinander zu tun haben und man beides geistig trennen müsse. Die Ringe seien für die Wochen- und Monatskarten gedacht. Die Zonen mehr oder weniger für Gelegenheitsfahrer, Tagesausflügler und Touristen. Hubert sagte allerdings nicht Touristen, sondern etwas von »depperten Saupreißn«. Auf meinen Hinweis, dass ich auch so einer sei, ein »Saupreiß«, meinte er nur: »Scho recht!« und referierte mir die Vorzüge der Münchner Streifenkarte, aus deren zehn Abschnitten – den Streifen – man seinen Fahrschein nach Belieben gestalten könne. Mit der Streifenkarte komme man sogar am günstigsten zum Flughafen, vorausgesetzt, man plane nur diese eine Fahrt. Wer am selben Tag zum Flughafen hin- und wieder zurückmüsse, der fahre am besten mit dem Airport-City-Day-Ticket, das eigentlich dasselbe sei wie die Single-Tageskarte fürs Gesamtnetz. Aber bis die Reisenden aus aller Welt – Hubert fasste auch sie unter der eingängigen Wortkombination »die depperten Saupreißn« zusammen – da von allein draufkommen täten, müssten die meisten von denen schon wieder zurückfliegen und hätten ja dann nichts vom schönen München gesehen. Deshalb sei es ganz nützlich, denen die Single-Tageskarte als Airport-City-Day-Ticket unterzujubeln, »die depperten Saupreißn« sollten schließlich auch in der Stadt ihr Geld ausgeben, zum Beispiel bei ihm, und nicht nur am Flughafen.
    Am Anfang ertrug ich nur eine Fünf-Minuten-Dosis Hubert pro Tag. Doch nach und nach, als ich auch mehr über ihn selbst erfuhr, wurde es besser. Hubert, oder Hubi, hatte sich in seinem Pennerdasein kommod eingerichtet, soweit man das sagen konnte. Wohin er zum Schlafen ging, wollte er nicht verraten. Zum Rosenheimer Platz kam er, weil sich hier seine Freunde trafen. Sie tranken in Ruhe ihr Bier – bei schlechtem Wetter im überdachten Mittelgeschoss der S-Bahn, bei gutem Wetter auf dem wunderschönen Weißenburger Platz, der nur gut fünfzig Meter entfernt lag – und brachten so die Zeit, von der sie nach Huberts Aussage viel zu viel hatten, wenigstens in guter Gemeinschaft rum. Wenn Hubert wirklich Geld brauchte, ging er zum Hauptbahnhof und beriet dort die Leute an den Fahrkartenautomaten. »In einer guten Stunde komm ich da schon mal auf dreißig bis vierzig Euro«, berichtete er mir stolz.
    Typisch München. Hier war das Geld zu Hause. Sogar die Penner gingen einer irgendwie improvisierten, aber mehr oder weniger geregelten Arbeit nach. Und verdienten dabei noch nicht einmal schlecht. Ich mochte Hubert. Nicht nur, weil er mir bei den Fahrscheinen weiterhelfen konnte, sondern weil er zu einer in München seltenen Spezies gehörte.
    Was mir in München sofort aufgefallen war, waren nicht etwa nur die Dinge, die es in der Stadt gab, sondern die Dinge, die fehlten: Dreck zum Beispiel, ob auf dem Bahnhof oder den Gehsteigen, von der Fußgängerzone zwischen Kaufingerstraße und Isartor gar nicht zu reden. Die Stadt war unfassbar sauber. Graffiti? Während in Berlin kaum eine Häuserwand von Tags verschont bleibt, musste man hier förmlich nach ihnen suchen. Hackten sie den Sprayern in München die Hände ab? Wie war es möglich, dass die heranwachsende Jugend weitgehend darauf verzichtete, ihr pubertierendes Ego mit ein paar Farbspritzern an den Häuserwänden zu befriedigen? Außerdem war ich es seit jeher gewohnt, dass Penner und Bettler zum Stadtbild gehörten. Dank Hubert fühlte sich München für mich wenigstens ein bisschen mehr wie zu Hause an. Denn Penner und Bettler waren sonst eine Seltenheit in den Straßen. Genau wie Punks. Die sind in München sogar derart selten und kostbar, dass sie auf Schritt und Tritt von Polizisten bewacht werden.

8. Kapitel: In welchem die Knochenbiegsamkeit von Kindern, die Nervenstärke von Müttern und die Fremdsprachenfähigkeiten eines Berliners getestet werden
    »Ham wir noch an König Ludwig?« Ein Nicken des Wirtes im Gastraum signalisierte der Bedienung draußen, dass das gewünschte Bier noch vorhanden war. Ich musste ob der doppelten Bedeutung des Satzes schmunzeln.
    »A Dunkles wollten S’, gell?« Der Mann am Nebentisch bejahte die Frage.
    »I bring’s Eaner glei«, beschied ihm die Bedienung und huschte davon.
    Es war Anfang Mai, und wir hatten das sonnige Wochenende genutzt, um aufs Land hinauszufahren.

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