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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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arbeiteten die meisten immer im Costumer Service oder im Office Management, waren Project Manager, Controller, Business Analyst oder Sales Representative. Abgesehen davon, dass die italienische Übersetzung in manchen Fällen schwer bis unmöglich war, störte sich Francesca vor allem an der Tatsache, dass jeder versuchte, sich hinter dem hochtrabenden englischen Klang seiner Berufsbezeichnung zu verstecken. »Wieso sagen die nicht einfach Handelsvertreter? Oder Kundenbetreuer? Ist doch dasselbe.« Aber eben nicht das Gleiche. Eine weinerliche Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
    »Huhuhuhu … Der Oskar lässt mich nicht schaukeln.« Drei Tische weiter stand ein Junge mit verheultem Gesicht vor seinem Vater. Ich schaute hinüber zum Spielplatz. Besagter Oskar schaukelte betont langsam, betont gelangweilt, eine einzige Provokation. Der Vater, zu dem der Junge gerannt war, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich wollte gerade aufstehen, um Oskar zu sagen, dass man sich beim Schaukeln abwechseln müsse und alle Kinder mal dran seien, da rannte der Junge, dessen Welt eben noch in Trümmern lag, quietschfidel zur Schaukel und schrie: »Komm, wir spielen Affenschleuder!«
    Ich weiß nicht, bei wem das Fragezeichen auf der Stirn größer war, bei Oskar oder bei mir. Affenschleuder? Affenschleuder ging so: Einer der Jungen setzte sich auf die Schaukel, der andere stellte sich hinter ihn und schubste ihn an. Hatte die Schaukel genug Schwung, ließ derjenige auf der Schaukel, der Affe, los und flog in hohem Bogen durch den Sandkasten. Wichtig dabei war noch, möglichst laut zu schreien. Eben wie ein Affe. Oskar war sofort Feuer und Flamme, während Francesca in Gedanken bereits die Nummer für den Notarzt wählte und mich löcherte, ob ich überhaupt wisse, wo genau wir eigentlich seien, damit sie dem Krankenwagen den Weg beschreiben könne. Schließlich könnte ein Stein im Sand liegen, an dem sich Oskar den Kopf anschlagen konnte. Oder aber er könnte Sand in die Augen bekommen und erblinden. Ganz abgesehen von den Arm- und Beinbrüchen, die der harte Sturz von der Schaukel mit Sicherheit hervorrufen würde. Wer einmal eine besorgte italienische Mutter in Aktion erlebt hat, bekommt eine Ahnung davon, warum in jedem ausgewachsenen italienischen Mann immer auch eine Memme steckt.
    »Servus, an lustigen Bua habt’s ihr da!« Der Vater des Jungen, den Oskar gerade stolze vier Meter geschleudert hatte, war zu uns an den Tisch gekommen. Sein Gesicht kam mir bekannt vor. Auch er musterte mich, als wären wir uns schon mal begegnet.
    »Kennen wir uns?«, fragte ich.
    »Wir kennen uns!«, sagte er überzeugt. »Aber woher?«
    Wieso war ich nur so schlecht darin, mir Gesichter und Namen zu merken? Francesca rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Ihr wäre es lieber gewesen, wir hätten endlich damit angefangen, die dringend notwendigen lebensrettenden Maßnahmen für die Affen auf der Schleuder einzuleiten, statt darüber nachzugrübeln, wo ich und der Vater des Jungen uns schon mal begegnet waren. Endlich fiel es mir wieder ein.
    »Ich habe Sie im Verlag gesehen«, verkündete ich erleichtert. »Als mich der Personalchef der Redaktion vorgestellt hat, waren Sie nicht da. Aber als ich gegangen bin, sind wir uns kurz auf dem Gang begegnet und wurden einander vorgestellt.«
    »Stimmt. Sie sind der Berliner, gell?«
    »Ich bin der Berliner«, gab ich ihm recht. »Daniel Wiechmann. Und Sie waren …?«
    »Max Brunner.«
    Wir schüttelten einander die Hände, und ich stellte ihm den Rest der Familie vor.
    »Das ist meine Frau Francesca. Und unseren Sohn Oskar … den hat ja auch bereits Ihr Junge kennengelernt.«
    Ein Blick auf Francesca genügte Max Brunner, um zu verstehen, dass sie dringend Hilfe brauchte.
    »Keine Angst, in dem Alter sind die Knochen der Kinder biegsam«, versuchte er sie zu beruhigen.
    Ich glaube, das war nicht ganz der Satz, den Francesca zu hören gehofft hatte. Aber wenigstens widerstand sie tapfer dem Drang, sich neben die Schaukel zu stellen, um im Notfall sofort eingreifen zu können.
    »Wos dagegen, wenn i mi herhocke?«, fragte Max Brunner. Natürlich nicht. Er holte sein Glas, setzte sich hin und brüllte zum Spielplatz: »Lukas, mir san jetzt am Tisch vom Oskar, gell?«
    Ob Lukas ihn gehört hatte? Er und Oskar freuten sich gerade über einen neuen Weitschleuderrekord. Francesca versuchte verzweifelt in Ohnmacht zu fallen, um das Elend nicht mehr mit ansehen zu müssen. Doch die Geräusche, die die

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