Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
geht, komme ich mit«, entschied ich mich.
Im Krankenwagen war es eng. Es würde nur Minuten dauern, bis wir im Klinikum rechts der Isar ankämen. Die leise Stimme von Frau Pschierer riss mich aus meinen Gedanken.
»Hörn S’ bitt’ schön … Es ist wichtig … Sagen S’ Ihrer Frau doch, dass man beim Teig drauf achten muss, dass …« Und dann verriet sie mir, was ihren Kaiserschmarrn so einzigartig machte.
»Sie werden Ihren famosen Kaiserschmarrn schon noch ganz oft selbst backen«, hörte ich mich sagen. »Wir sind gleich da. Und dann wird alles gut.«
Frau Pschierer schaute mich an. Sie hatte ihre Hand in meine gelegt. Ihre andere Hand lag auf ihrer Brust. Sie hielt darin ein kleines Kruzifix umklammert. Unter all den bunten Ketten, die sie immer um den Hals trug, war es mir nie aufgefallen. Ich fasste vorsichtig ihre Hand und spürte, wie sie versuchte den Druck zu erwidern. Ihr Blick war klar. Dann sagte sie zu mir:
»Sie müssn koa Angst hab’n.«
Sie starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
Als ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, glaubte ich noch immer, die letzten Stunden geträumt zu haben. Im Hausflur begegnete mir Georg Rieger, der gerade das Laub im Hof zusammengekehrt hatte. Seine Laune war wie immer genauso übel, wie ein Harzer Käse riecht. Als er mich sah, gab er wieder sein übliches Knurren von sich. Ich sagte nichts. Ich war schon fast an ihm vorbei, als er mich fragte:
»Ois in Ordnung mit Eana? Sie sehn aus, als könnten S’ oanen Schnaps vertragen. Sie san ja ganz weiß im G’sicht.«
Ich drehte mich zu ihm um. »Die Frau Pschierer ist tot.«
Schweigen. Ich sah, wie der Mund vom Rieger Schorsch zu einem schmalen Strich wurde. Dann sagte er mit einem sanften Ton, den ich in seiner Stimme noch nie gehört hatte:
»Kommen S’ doch nei. I hoab ja gwusst, dass Sie oanen Schnaps brauchen … Und i a.«
Drei Wochen später war jemand anderes in die Wohnung von Frau Pschierer eingezogen. Wenig später fiel mir auf, dass jemand das Türschild von Frau Pschierer an die Wand neben die Briefkästen geschraubt hatte. Das konnte nur einer gewesen sein, und im Stillen dankte ich ihm dafür.
27. Kapitel: In welchem es in einem Iglu beängstigend dunkel und eine Gewissenfrage gestellt wird
Anfang Dezember fragte mich Max, was wir an Silvester vorhätten. Er würde den Jahreswechsel mit Freunden auf seiner Hütte im Zillertal feiern. Sechs Tage im Schnee.
»Auf deiner Hütte?«
»Ja, also, sie gehört nicht mir. Ich und ein paar Freunde haben sie von einem Bauern gemietet. Wenn man die Miete fürs Jahr teilt, ist das gar nicht mehr so viel. Ist praktisch, wenn man mal von allem raus will und Einsamkeit braucht.«
»Mehr Einsamkeit als an einem lauen Sommerabend in Harlaching?« Ich genoss die seltenen Momente, in denen ich Max wenigstens ein bisschen piesacken konnte.
Was Max Hütte nannte, war eigentlich ein richtiges kleines Haus. Im Erdgeschoss gab es eine Wohnküche mit einer großen Terrasse davor, ein Wohnzimmer, das vor allem den Kindern als Spielzimmer diente, sowie einen großzügigen Abstell- und Trockenraum für die Ski- und Winterausrüstung. Oben, in der zweiten Etage des Hauses, befanden sich fünf Räume, die allesamt als Schlafräume fungierten. Alles war schlicht eingerichtet und nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Die Miete teilten sich die Freunde zu zehnt. Dafür konnte jeder die Hütte nutzen, wann er wollte. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass es eigentlich nur an den Feiertagen zu Engpässen bei der Belegung kommen konnte und man sich abstimmen musste. Es funktionierte ein bisschen wie Hapimag, nur ohne die Aktien, die man so schwer wieder loswird, und mit Freuden.
Die Hütte lag etwas oberhalb des Tals, umgeben von einem lichten Bergwald. Schon auf der Fahrt mit dem Auto meinte Francesca, sie hätte noch nie so viel Schnee gesehen. Mir ging es ebenso. Und je höher sich der Wagen die Straße hochkämpfte, umso mehr wurde es. Währenddessen machte sich Oskar gerade einen Spaß daraus, uns zu nerven, indem er im Minutentakt fragte, ob wir schon da seien. Hätte ich ihn aus dem Wagen geschmissen, er wäre einfach weg gewesen, verschluckt von der meterhohen Schneedecke um uns herum. »Sind wir schon dahaaa?« Und der Schnee würde nicht nur ihn verschlucken, sondern auch sein Quengeln. »Sind wir schon dahaaa?« Eine schöne Vorstellung.
»Wuist a oanen Zipfelbob?«, fragte Max Oskar, kaum dass wir an der Hütte angekommen waren. Oskar nickte. Ich war mir
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