Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
eine dunkelhaarige Frau mit rundem Gesicht, die auf schwer definierbare Weise hübsch war, saß Paula an einem Tisch mit reinlicher Resopalplatte gegenüber, deren Ränder angeschlagen und verkratzt waren. Zwischen ihnen standen ein Emailtopf mit starkem Kaffee und ein Aschenbecher. Dass es einen Aschenbecher gab, erklärte den starken Geruch synthetischer Düfte, dachte Paula. Ihre Stirnhöhlen würden protestieren oder sogar streiken, wenn sie hier wohnen müsste.
    Jana hatte nicht nach dem Grund von Paulas Kommen gefragt. Sie hatte sie höflich begrüßt und sich freundlich und schicksalsergeben zu einer Befragung bereit erklärt. Es war, als hätte sie sich gesagt, es sei am sichersten, der Polizei in einem fremden Land demütige Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu zeigen.
    Paula hatte den unausgesprochenen Verdacht, dass dies sonst nicht Janas Art war.
    Jana ging zum zweiten Mal die Fotos durch und schüttelte den Kopf. »Ich habe diese Männer niemals bei Mr. Wade gesehen«, sagte sie, und ihr Englisch war fast akzentfrei. Sie erzählte Paula, dass sie eine in Polen ausgebildete Englisch- und Französischlehrerin sei. Fertigkeiten, die sich zur Zeit in ihrem Land niemand so recht leisten konnte. Sie und ihr Verlobter waren hier, um so viel Geld zu verdienen, dass sie sich in Polen ein Haus kaufen konnten. Dann würden sie dorthin zurückkehren. Sie würden irgendwie zurechtkommen, wenn sie keine Miete zahlen mussten, meinte Jana.
    Bei dem Foto von Jack Anderson hielt sie inne. »Aber diesen Mann. Ich glaube, ich habe ihn einmal gesehen, aber ich weiß nicht mehr, wo und wann.«
    »Vielleicht ist er ins Haus gekommen?« Paula bot Jana ihre Zigaretten an. Sie nahm eine, und beide zündeten sich ihre Zigaretten an, während Jana stirnrunzelnd das Foto betrachtete.
    »Ich glaube, er kam ins Haus, aber nicht um Mr. Wade zu besuchen«, berichtete sie langsam und stieß eine dünne Rauchwolke aus. »Er wollte etwas verkaufen. Ich erinnere mich nicht. Er hatte einen Lieferwagen.« Sie schloss die Augen und zog die Augenbrauen zusammen. »Nein, es hat keinen Zweck. Ich kann mich nicht erinnern. Es ist schon eine ganze Weile her.« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich bin mir einfach nicht sicher.«
    »Macht nichts«, versicherte Paula. »Haben Sie gehört, dass Mr. Wade einmal einen Mann erwähnte, der Jack Anderson hieß?«
    Jana zog an ihrer Zigarette und schüttelte den Kopf. »Sie müssen wissen, Mr. Wade sprach nicht über persönliche Dinge. Ich wusste nicht einmal, dass er aus Bradfield kam.«
    »Wie steht’s mit Fußball? Hat er je einen Fußballspieler erwähnt, der Robbie Bishop heißt?«
    Jana sah verwirrt aus. »Fußball? Nein, Modelleisenbahnen. Das interessierte Mr. Wade.« Sie breitete die Hände aus. »Er hat nie Fußball geschaut.«
    »Schon gut. Ist irgendjemand gekommen, der Mr. Wade besuchen wollte?« Paula inhalierte. Selbst wenn die Befragung nichts brachte, konnte sie wenigstens dabei rauchen. Das ließ sich heutzutage nicht von vielen Befragungen sagen. Selbst in den Verhörzimmern der Polizei durfte nicht geraucht werden, und manche Gefangenen behaupteten, das sei eine Verletzung ihrer Menschenrechte. Paula neigte dazu, ihnen recht zu geben.
    Jana musste nicht lange überlegen. »Nein, niemand«, antwortete sie. »Aber ich glaube, das war kein Grund dafür, dass er einem leidtun sollte. Manche Leute sind allein glücklicher. Ich glaube, er war so jemand. Er mochte es, wenn ich da war, um zu kochen und sauberzumachen, aber er wollte nicht, dass ich mich mit ihm anfreundete.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch …« Paula zuckte etwas hilflos mit den Schultern, als wolle sie sagen: Ich muss diese Frage stellen und wünschte, es wäre anders. »Wissen Sie, was er tat, um Sex zu haben? Ich meine, er war ja ein junger Mann, vermutlich hatte er sexuelle Bedürfnisse …«
    Jana schien nicht im Geringsten pikiert. »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sie. »Er hat sich mir gegenüber nie ungehörig benommen. Ich glaube aber nicht, dass er schwul war.« Paula hob eine Augenbraue. Jana grinste. »Keine schwulen Pornohefte. Aber manchmal diese Zeitschriften, die man beim Zeitungshändler bekommt. Nichts Schlimmes. Aber Mädchen, keine Jungs. Manchmal fuhr er zwei Stunden mit dem Auto weg und nahm die Hunde nicht mit. Wenn er zurückkam, schien er ein bisschen verlegen und nahm gewöhnlich ein Bad. Vielleicht ging er zu Prostituierten, ich weiß es nicht.« Sie warf Paula einen schlauen Blick

Weitere Kostenlose Bücher