Schleichendes Gift
Fußballspiel schien oft nur als Hintergrundgeräusch zu dienen. Das Wichtigste war, dabei zu sein.
Der Wachmann, der Yousef vom Nebeneingang bis jetzt begleitet hatte, blieb vor einer grauen Tür mit gelbem Schild stehen, auf dem ein Blitz zu sehen war. »Bitte«, sagte er, schloss die Tür auf und öffnete sie. Er zeigte auf ein internes Telefon, das ein paar Meter weg an der Korridorwand hing. »Rufen Sie an, wenn Sie fertig sind, dann komm ich hoch und schließe hinter Ihnen ab.« Er stieß die Tür auf, drückte auf den Lichtschalter und trat zurück, um Yousef in den schmalen Raum hineingehen zu lassen. »Und wenn Sie fertig sind, bevor das Spiel zu Ende ist, finden wir schon ein Plätzchen, wo Sie den Rest der Spielzeit verbringen können.«
Yousef war übel, aber es gelang ihm zu lächeln und zu nicken. Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken hinter ihm. Der Raum war ziemlich dunkel und eng. Es roch nach Staub und Öl. Die Verteilerkästen hingen an der Wand am anderen Ende. Kabel, auf denen fettiger Staub lag, liefen an den Wänden entlang. Er glaubte nicht, dass ihn jetzt, wo in geringer Entfernung ein Spiel stattfand, hier irgendjemand stören würde. Aber um sicherzugehen, rückte er das Ende des Werkzeugkastens gegen die Tür. Sollte jemand versuchen, hereinzukommen, würde er es merken.
Ohne Vorwarnung spürte Yousef, wie sich ihm die Kehle zuschnürte und ihm Tränen in die Augen traten. Es war schrecklich, dies hier durchzuziehen. Und doch war es zweifellos das Richtige. Denn es war der beste Weg, ihr Ziel zu erreichen. Aber er fand es entsetzlich, in einer Welt leben zu müssen, in der solche Dinge notwendig waren. In der die Gewalt die einzige Sprache war, die die Menschen verstanden. In der Gewalt denen als einzige Sprache verblieb, die auf Schritt und Tritt über den Zustand der Welt enttäuscht waren. George Bush hatte recht gehabt, es war tatsächlich ein Kreuzzug. Nur nicht der, den der Mistkerl im Weißen Haus gemeint hatte.
Mit dem Handrücken rieb Yousef sich die Augen. Aber dies war nicht der rechte Ort für Kummer oder Zweifel. Er öffnete den Werkzeugkasten und nahm das obere Fach heraus. Darunter lag, in mehrere Schichten Luftpolsterfolie verborgen, die Bombe. Sie sah nach nichts Besonderem aus. Irgendwie, fand Yousef, sollte sie mehr Eindruck machen. Eine stärkere Aussage vermitteln, als sich mit einem Ghee-Behälter und einem Küchentimer ausdrücken ließ.
Er sah auf seine Uhr. Er lag gut in der Zeit. Zwölf Minuten nach drei. Er nahm eine Rolle Isolierband heraus und befestigte die Bombe an einem Kabelbündel auf halber Höhe der Wand. Dann stellte er mit trockenem Mund und rumorendem Magen den Timer.
Zwei Minuten nach Spielbeginn hatte Phil Campsie einen blendenden Lauf am linken Flügel geschafft, wurde jedoch von einem knallharten, aber fairen Tackling niedergestreckt. »Oh nein«, rief Tony.
»Ganz richtig: Oh nein«, bekräftigte Carol, die mit wehenden Fahnen und glühender Empörung hereinmarschiert kam. »Was glaubst du, was du da machst?«
Tony warf ihr den verwirrten Blick eines Mannes zu, der nur tut, was Männer eben machen, und bemerkte ihre Körpersprache überhaupt nicht. »Ich seh mir Fußball an«, antwortete er. »Die Vics und die Spurs. Es hat gerade angefangen, hol dir ’n Stuhl.«
Carol klappte heftig seinen Laptop zu. Tony war empört. »Wieso machst du das?«
»Wie kannst du es wagen, meine Leute dazu zu verleiten, irgendwo in der Pampa herumzuirren und deinen Hirngespinsten nachzugehen?«, schimpfte sie.
»Ach so.« Tony zog eine Grimasse. »Es geht also um Paula.«
»Wie konntest du nur? Besonders nachdem ich gesagt hatte, ich glaubte nicht, dass es etwas bringen würde?« Carol ging erregt auf und ab.
»Na ja, genau deshalb musste ich es ja tun.« Tony klappte langsam den Laptop wieder auf. »Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich es selbst getan. Aber so wie es steht, bleibt dir das peinliche Eingeständnis erspart, einen der besten Anhaltspunkte, den du bis jetzt hattest, übergangen zu haben.«
»Ach, Quatsch. Wir haben einen Verdächtigen, der nichts mit Danny Wade zu tun hat.«
Tony tippte auf das Touchpad, damit das Spiel wieder auf dem Monitor erschien. »Und ich zweifle nicht daran, dass du feststellen wirst, dass auch er nichts mit Robbie Bishop zu tun hat. Zumindest nicht, was seine Ermordung betrifft.« Er warf ihr ein strahlendes Lächeln zu. »Und jetzt hat Paula dir einen weiteren wunderbaren Hinweis gegeben. Ich
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