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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sich an der Nase herumführen zu lassen. Und dass man sie fast fünfzehn Minuten hatte warten lassen, war nicht die beste Art und Weise, die Sache in Gang zu bringen.
    Denby schüttelte den Kopf. »Mord ist Ihr Terminus, nicht meiner. Was ich sagen will, ist, dass Robbie Bishop wahrscheinlich innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden sterben wird. Der Grund dafür ist, dass er Rizin im Blut hat. Es gibt kein Gegenmittel. Wir können nichts für ihn tun, außer seine Schmerzen so gut wie möglich zu lindern.«
    »Sie sind da sicher?«
    »Ich weiß, es klingt bizarr. Wie in einem James-Bond-Film. Aber wir sind sicher. Wir haben alle notwendigen Tests gemacht. Er stirbt an Rizinvergiftung.«
    »Könnte es Selbstmord sein?«
    Denby sah verwirrt aus. »Das hätte ich niemals angenommen.«
    »Aber könnte es sein? Theoretisch?«
    Er schien leicht verärgert. Carol vermutete, dass er es wahrscheinlich nicht gewöhnt sei, dass seine Ansicht in Frage gestellt wurde. Er legte seinen Kuli so hin, dass er genau die Kante der Akte vor ihm traf. »Ich habe mich in der Literatur über Rizin kundig gemacht, seit meine Assistenzärztin vermutete, es könnte möglicherweise die Ursache für Robbie Bishops Symptome sein. Rizin wirkt so, dass es in die Zellen eines Menschen eindringt und sie daran hindert, die Proteine zu bilden, die sie brauchen. Ohne die Proteine sterben die Zellen ab. Das Atemwegssystem versagt, das Herz bleibt stehen. Ich habe in der Literatur keine Angaben gefunden, dass es jemals mit der Absicht sich umzubringen genommen wurde. Dagegen wäre auch zu sagen, dass es nicht leicht verfügbar ist. Man müsste einige Kenntnisse als Chemiker haben, um es herstellen zu können, selbst wenn man die Rohstoffe in die Hände bekäme. Entweder das, oder man müsste Verbindungen zu einer terroristischen Organisation haben, angeblich wurden Vorräte in den Höhlen der Al Kaida in Afghanistan gefunden. Dass der Tod erst nach langer Zeit und starken Schmerzen eintritt, ist der andere Aspekt, der dagegen spricht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand es als Mittel zum Selbstmord wählen würde.« Er breitete die Hände aus und zog die Schultern hoch, um sein Argument zu bekräftigen.
    Carol hielt etwas auf ihrem Notizblock fest. »Und wir können einen Unfall ausschließen, so wie es sich anhört?«
    »Außer wenn Mr. Bishop die Angewohnheit hätte, sich in Rizinusölfirmen herumzutreiben, würde ich sagen, ja«, versetzte Denby schroff.
    »Wie hat er es also aufgenommen?«
    »Er hat es wahrscheinlich eingeatmet. Wir haben ihn gründlich untersucht und können keine Einstichwunden finden.« Denby beugte sich vor. »Ich weiß nicht, ob Sie sich an den Fall des bulgarischen Überläufers Georgi Markow in den späten siebziger Jahren erinnern. Er wurde mit einem Rizinkügelchen ermordet, das man ihm mit einem präparierten Schirm verpasst hatte. Als wir wussten, dass hier Rizin im Spiel ist, ordnete ich an, dass das Team unserer Intensivstation eine gründliche Untersuchung von Mr. Bishops Haut durchführen sollte. Es gibt keine Anzeichen, dass ein Fremdkörper eingespritzt wurde.«
    Carol war verwirrt. »Es ist kaum zu glauben«, sagte sie. »So etwas kommt doch eigentlich in Bradfield nicht vor.«
    »Nein«, pflichtete Denby bei. »Deshalb hat es zwei Tage gedauert, bis wir es herausbekamen. Ich nehme an, es war bei den Ärzten am University College Hospital genauso, wo Alexander Litwinenko behandelt wurde. Das Allerletzte, was sie erwarteten, war eine Vergiftung durch radioaktive Strahlung. Aber trotzdem ist es passiert.«
    »Wie konnte er vergiftet werden, ohne es zu merken?«
    »Ganz leicht«, erklärte Denby. »Unsere Informationen über Rizin besagen, dass schon fünfhundert injizierte Mikrogramm genügen, um einen Erwachsenen zu töten. Versuche mit Tieren deuten darauf hin, dass das Einatmen oder Schlucken einer ähnlichen Menge lebensgefährlich sein könnte. Eine Dosis von fünfhundert Mikrogramm Rizin wäre ungefähr so groß wie ein Stecknadelkopf. Es wäre also nicht schwer, es in einen Drink oder unters Essen zu mischen. In dieser Menge wäre es ohne Geschmack.«
    »Wir suchen also jemanden, der Zugriff auf sein Essen oder die Getränke hatte?«
    Denby nickte. »Das ist die wahrscheinlichste Möglichkeit.« Er spielte mit seinem Kuli. »Es könnte auch in eine Freizeitdroge wie Kokain oder Amphetamine gemischt worden sein – etwas, was geschnupft wird. Auch da würde man keinen Geschmack oder Geruch

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