Schleichendes Gift
Blut-, Nieren- und allen anderen Spenden, um Robbie zu helfen. Aber jetzt konnte niemand mehr etwas für Robbie tun, was sein vor ihm liegendes Schicksal ändern würde.
Als sie sich der Intensivstation näherte, faltete sie den Bericht zusammen und schob ihn in ihre Tasche. Sie wollte nicht, dass die Sicherheitsleute, die ihren Ausweis überprüfen würden, um sie hineinlassen zu können, die Ergebnisse sahen. Die Boulevardblätter hatten überall ihre Spione; sie konnte zumindest dazu beitragen, dass die letzten Stunden von Robbies Leben so würdevoll wie möglich verliefen. Sie brachte die Sicherheitskontrolle hinter sich, kam an der Anmeldung vorbei und sah Martin Flanagan, der zusammengesunken in einer Sofaecke saß. Als er sie bemerkte, sprang er auf, und Ungeduld und Angst ließen die Erschöpfung in seinem Gesicht vorübergehend verschwinden. »Gibt es etwas Neues?«, fragte er, und sein breiter nordirischer Akzent verlieh der einfachen Frage eine Spur von Aggression. »Dr. Denby ist gerade reingegangen. Hat er Sie rufen lassen?«
»Es tut mir leid, Mr. Flanagan«, antwortete Elinor automatisch. »Im Moment kann ich Ihnen wirklich nichts sagen.«
Bei ihren Worten verschwand der hoffnungsvolle Ausdruck aus seinem Gesicht, das nun wieder genauso bedrückt wirkte wie vorher. Er fuhr sich langsam mit den Fingern durch sein von Silbersträhnen durchzogenes Haar und sah sie flehend an. »Sie erlauben mir nicht, bei ihm zu sitzen, wissen Sie. Seine Mutter und sein Vater sind hier, sie dürfen bei ihm bleiben. Aber ich nicht. Jetzt nicht mehr, seit er da drin ist. Ich habe Robbie mit vierzehn unter Vertrag genommen. Ich habe ihn in die Mannschaft gebracht. Er ist der beste Spieler, mit dem ich je gearbeitet habe, und er hat ein Herz so stark wie ein Löwe.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann’s einfach nicht glauben, wissen Sie. Mit ansehen zu müssen, dass es ihm so schlechtgeht. Er ist immer wie ein Sohn für mich gewesen.« Er wandte sein Gesicht von ihr ab.
»Wir tun alles, was wir können«, versicherte Elinor. Er nickte und ließ sich wie einen Kartoffelsack wieder auf das Sofa fallen. Sie wusste, es brachte nichts, sich gefühlsmäßig darauf einzulassen. Aber es war schwierig, Flanagans Leid mit ansehen zu müssen und ganz unberührt davon zu bleiben.
Auf der Intensivstation zu liegen ist eines der Dinge im Leben, das alle gleich macht, dachte sie, als sie in den matt erleuchteten Raum mit den abgeteilten Kabinen voller Apparate trat. Hier spielte es keine Rolle, ob einen jeder kannte oder ob man ein Niemand war. Das Personal widmete sich jedem mit dem gleichen vollkommenen Engagement, und man hatte den gleichen Anspruch auf alles, was nötig war, um am Leben erhalten zu werden. Und die Beschränkungen waren für alle Besucher ebenfalls die gleichen. Nur den engsten Familienmitgliedern war der Besuch erlaubt, und auch sie wurden ungeniert zur Seite geschoben, wenn es notwendig war. Hier waren die Bedürfnisse des Patienten ausschlaggebend, und hier standen Ärzte und Pflegepersonal unangefochten an der ersten Stelle, wenn auch nur deshalb, weil die Patienten nicht in der Lage waren, dies in Frage zu stellen.
Elinor ging direkt zu Robbie Bishops Kabine. Als sie näher kam, sah sie das Paar links vom Bett sitzen. Ein Mann und eine Frau in mittleren Jahren, beide offensichtlich sehr angespannt, denn sie waren von höchster Angst ergriffen. Ihre volle Konzentration galt einzig der Gestalt, die an den Apparaten hing. Thomas Denby, der am Kopfende des Bettes stand, beachteten sie so wenig, als sei er gar nicht da. Elinor fragte sich, ob sie so daran gewöhnt waren, ihren Sohn aus der Entfernung zu sehen, dass sie durch seine Nähe genauso wie durch seine Krankheit nahezu gelähmt schienen.
Sie blieb am Rande der Gruppe stehen. Das matte Licht schuf ein Halbdunkel, das ihr ein Gefühl gab, als betrachte sie ein Diorama in einer Ausstellung. Im Mittelpunkt Robbie Bishop, nur noch ein blasses Abbild seines früheren strahlenden Selbst. Man konnte sich jetzt nur noch schwer sein meisterhaft schönes Spiel vorstellen, diese eleganten seitlichen Durchbrüche und die Bananenflanken, die so viele Torchancen für die Stürmer von Bradfield Victoria geschaffen hatten. Es war unmöglich, in den geschwollenen, wächsernen Zügen das blendend aussehende Gesicht wiederzuerkennen, das mit Werbung für alles von Bioobst und -gemüse bis zu Deostiften Millionen verdient hatte. Sein vertrauter Schopf hellbrauner Haare
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