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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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halten Sie davon?«
    »Es ist Quatsch«, antwortete Yousef, der sich jetzt doch zu einer Stellungnahme anstacheln ließ. »Haben Sie nicht gehört, was die Polizistin gesagt hat? Kein Grund, die Sache mit Terrorismus in Verbindung zu bringen. Sie versuchen nur, Unruhe zu stiften. Leute wie Sie sorgen dafür, dass es Rassenkrawalle gibt. Mein Bruder hier ist nur ein Fan der Bradfield Vics.« Er spuckte auf den Boden. »Sie haben keinen Respekt. Komm, Raj.« Er packte seinen Bruder am Ärmel und zog ihn weg.
    »Na super«, maulte Raj. »Ich darf nicht über Robbie reden, aber du darfst die Klappe aufreißen, dass wir wie Scharfmacher aussehen.«
    »Ja, ich weiß. Es ist nicht fair.« Yousef führte Raj von den Medienleuten weg zu den Trauergaben am Zaun. »Aber ich habe den Mist so satt. Warum sollten Terroristen Robbie Bishop umbringen, verdammt noch mal?«
    »Weil er ein Symbol westlicher Dekadenz ist, Dummkopf«, gab Raj zurück und ahmte dabei die dummen Sprüche der Großmäuler nach, die er in den Kebabläden und auf dem Parkplatz der Moschee gehört hatte.
    »Stimmt tatsächlich. Aber das ist noch kein Grund, ihn umzubringen. Durch Robbies Ermordung entsteht kein Terror, sondern nur Wut. Damit der Terrorismus wirkt, muss man ganz gewöhnliche Leute treffen. Aber solche Argumente sind für Leute wie diesen Wichser mit dem Mikrofon zu hoch«, sagte Yousef verbittert.
    Ohne es zu merken, hatten sie den Rand einer wachsenden Menschenmenge erreicht, die um eine große Zahl von Lichtern herumstand. Die Kerzen flackerten in der leichten Abendbrise und waren in gewisser Weise anrührender als all die anderen Zeichen des Respekts, die sich um sie herum auftürmten. Eine helle Tenorstimme begann, die Anfangszeilen von »You’ll Never Walk Alone« zu singen. Andere fielen ein, und bevor sie sich versahen, waren Yousef und Raj vom Klang der wichtigsten Fan-Hymne umgeben.
    Yousef musste lächeln, als seine Stimme sich mit dem Chor der anderen erhob. Er kannte das Gefühl, seinen Weg nicht allein zu gehen. Er verstand die Kraft, die einen Mann leitete. Seinen Weg nicht allein gehen zu müssen machte alles möglich. Einfach alles.

    Stetig ließen sie die Meilen hinter sich. So spät nachts hatte der Verkehr abgenommen, der die Autobahn am Tage verstopfte. Auf den sechs Fahrbahnen war immer noch einiges los, aber jetzt flossen die Pkws und Laster mit rhythmischem Rumpeln an den Engpässen und Staustrecken der Midlands vorbei. Carol drehte an den Radioknöpfen und wechselte von der getragenen Musik auf Radio Four zu den manischen Rhythmen auf Radio One. Da sie zu einem Gespräch mit Bindie Blyth unterwegs waren, konnten sie sich ruhig mal ihre Sendung anhören.
    Der Aufmacher der Zehn-Uhr-Nachrichten war Robbie Bishops Tod. Sam am Steuer schüttelte den Kopf, als der Sprecher die Meldung mit atemloser Erregung zu einem Drama hochstilisierte. »Sie kapieren es einfach nicht, oder? Bei so einer Riesenstory reicht es doch, die Fakten zu nennen. Wir können es nicht brauchen, dass die Medien sich so hysterisch geben und die Leute verrückt machen.«
    »Das können sie eben am besten«, meinte Carol, die der Übertreibungen der Presse auch überdrüssig war. »Mit ein paar seltenen Ausnahmen. Und alle machen einfach mit. Sollen wir wetten, dass der Premierminister bis morgen früh auch noch seinen Senf dazugegeben hat?«
    Sam grinste. »Robbie wird bis zum Frühstück der ›Spieler des Volkes‹ sein.«
    »Nur läuft diesmal ein richtiger Mörder frei herum und nicht nur die von den Verschwörungstheoretikern heraufbeschworenen Phantome.« Sie seufzte. »Und es ist unsere Aufgabe, ihn zu finden.«
    Nachdem die Meldung durchgegeben worden war, wurde direkt zu einer hektischen Tanznummer gewechselt, die einem so lang vorkam wie der erste Akt einer Oper. Endlich klang sie aus, und eine tiefe, warme Frauenstimme sagte: »Kateesha hat mit Junior Deff und ›Score Steady‹ heute Abend die Show eröffnet. Hier spricht Bindie Blyth, ich bin bis Mitternacht auf Sendung bei Radio One, dem Lieblingssender der Beatnation. Ihr habt bestimmt alle gehört, dass Robbie Bishop heute Abend gestorben ist. Bis vor zwei Monaten waren Robbie und ich ein Paar. Er fragte mich, ob ich ihn heiraten würde, und ich sagte ja. Wir haben es nicht bis zum Altar geschafft, aber er war immer noch mein bester Freund. Musik war einer der Gründe, dass wir uns so nah geblieben sind. Wir mochten die gleichen Titel, die ihr alle jeden Abend hier in der Sendung hört.

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