Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
Vom Netzwerk:
den Regalen ansehen, mit Kupfer- und Messingmünzen bezahlen und nicht genug haben, um sich mehr als einen Kaffee zu leisten.« Sie sah wie beschämt auf die Tischplatte. »Meine Mutter sagt, sie können zu einer Suppenküche oder zur Kirche gehen, aber ich weiß nicht – ein Muffin ist wirklich keine große Sache. Und sie kauft jedes Mal was, wenn sie reinkommt.«
    »Sie war also öfter hier.«
    Die Verkäuferin nickte. »Sie kommt regelmäßig, spät am Abend. So zweimal im Monat.«
    »Können Sie mir sonst noch was über sie sagen?« Als die Frau mit den Achseln zuckte, fügte er hinzu: »Verschwindet sie immer in die gleiche Richtung?«
    »Tut mir leid, aber ich sehe meiner Kundschaft nicht hinterher.«
    »Falls Ihnen noch was einfällt« – er schob ihr eine Visitenkarte zu – »rufen Sie mich an. Jederzeit.«
    »Klar.« Ihre Miene bekam etwas Zweifelndes.
    »Eines noch.« Er schob ihr einen Zehndollarschein zu. »Ein Muffin
ist
etwas, und Sie sind ein guter Mensch.«
    »Ja.« Sie lächelte ihn aufrichtig an. »Leider genügt das nicht.« Sie steckte das Geld ein und ging wieder an die Arbeit.
    Meriden war den ganzen Vormittag unterwegs und befragte alle Ladenbesitzer in der Nähe der Kaffeebar, kam aber nicht voran. Also kaufte er sich ein Sandwich und ging in seine Werkstatt, um ein paar Stunden zu schrauben und dann Feierabend zu machen.
    Rowan Dietrichs Motorrad stand hinten an der Wand. Ein Abschleppwagenfahrer, der ihm einen Gefallen schuldig war, hatte es dort abgestellt. Er hasste diesen Auftrag wie alles, was Dansant ihm aufhalste, aber je schneller er es repariert bekam, desto eher würde das Mädchen weiterreisen.
    Es passte ihm nicht, dass sie neben ihm wohnte und er sogar das Bad mit ihr teilen musste, aber zugegeben: Sie fuhr einen schicken Ofen. In Europa war er viel Motorrad gefahren – weil es angenehm war, aber auch Geld sparte. Ein Bike brauchte nicht viel Benzin, das dort skandalös teuer gewesen war, und man konnte es praktisch überall abstellen. Plötzlich wurde ihm klar, warum er die Maschine so wenig mochte: Es war eine Ducati.
    Nathan hatte italienische Rennmotorräder geliebt.
    Obwohl seine Jahre in Europa nur noch eine vage, von Zorn und Verwirrung überschattete Erinnerung waren, entsann er sich deutlich einiger Dinge über Nathan. Den Rest hatte er sich in sorgsamer, mühevoller Recherche zusammengereimt. Er war zum Studium nach Rom geschickt worden, hatte die Stadt aber nach einem Jahr verlassen, um durch ein halbes Dutzend Länder zu trampen, und die Reise finanziert, indem er da und dort als Koch arbeitete. Gisèle war ihm im Restaurant ihres Vaters begegnet, und kaum hatte sie ihn angelächelt, war es um ihn geschehen gewesen. Ihr ging es mit ihm nicht anders, und so hatte sie den alten Giusti dazu gebracht, ihn als Lehrling einzustellen.
    Meriden wusste, dass Nathan bis über beide Ohren in Gisèle verliebt gewesen war und alles riskiert hatte, um sie zu bekommen. Sie hatten nur ein Jahr zusammen gehabt, doch allen Erzählungen nach waren sie unfassbar glücklich gewesen. Wenn die Dunkelmänner Nathan nicht geholt hätten, stünde er noch immer neben Gisèles Vater am Herd.
    Als er vom Schicksal der Giustis erfahren hatte, war Meriden nach Nizza zurückgekehrt, um sich von Nathans Tod zu überzeugen. Er hatte einen Krankenhausmitarbeiter bestochen, um eine Kopie seiner Krankenakte zu bekommen. Nathan hatte durch den Unfall, bei dem seine Frau ums Leben gekommen war, schreckliche Brandwunden erlitten und war trotz aller Rettungsversuche bald darauf im Krankenhaus gestorben. Der behandelnde Arzt hatte den Totenschein ausgestellt.
    Diese Tatsachen ließen sich nicht leugnen, widerlegen oder beschönigen.
    Schlimmes Kopfweh peinigte Meriden. Die Erinnerung an jene Tage ließ ihn stets Migräne bekommen; wenn er nicht aufhörte, würde er eingesperrt in einem abgedunkelten Zimmer enden. Er hatte akzeptiert, was Nathan zugestoßen und wie er umgekommen war – und auch die seltsamen Folgen, die ihn selbst in Frankreich mit Dansant zusammengeführt hatten. Ein Unfall, eine furchtbare, tragische Entscheidung, und drei Leben waren für immer verändert. Manchmal überlegte er, was Nathan über ihn und Dansant dächte. Ob er auch das einfach hinnehmen oder sich wünschen würde, auch sie wären tot.
    Wenn er gewusst hätte, was geschehen würde – überlegte Sean –, wäre Nathan dann dennoch in die Flammen gerannt?
    Trotz seiner und Dansants Anstrengungen, die Wahrheit über

Weitere Kostenlose Bücher