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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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haben.«
    Das war eine Lüge. »Und wie geht es Ihren Knien?«
    »Die tun weh.« Sie warf einen Blick auf ihre klobige Armbanduhr und entwand sich dabei flink seinem Griff. »Wer kümmert sich um das Aufräumen und Reinigen der Restauranttische und des Eingangsbereichs des Lokals?«
    »Zweimal pro Woche lassen wir vor dem Lokal gründlich sauber machen. Und die Tische drinnen decken die Kellner und der Serviceleiter vor Feierabend neu ein.«
    »Wir brauchen also nur dafür zu sorgen, dass die Küche sauber ist?«
    »Jeder kümmert sich um seine Station. Den Rest erledigen wir gemeinsam.« Er betrachtete sie pausenlos, um festzustellen, was er am Vorabend noch übersehen hatte. Sie besaß die makellose, durchscheinende Haut eines Kindes, und er bemerkte keine Falten oder andere Hinweise auf ihr Alter. »Wie alt sind Sie, Rowan?«
    »Einundzwanzig. Alles ganz legal.« Sie mochte es nicht, dass er fragte. »Oder wollen Sie einen Ausweis sehen?«
    Dansant fragte sich, ob der echt wäre. Am Vorabend war er nur so weit in ihr Bewusstsein gedrungen wie unbedingt nötig – schließlich war er ihr dadurch, dass er sie umarmt und geküsst hatte, schon zu nahe getreten –, doch sie war zweifellos jung. Vielleicht sagte sie die Wahrheit und war, was sie zu sein schien, doch jetzt bot der Zweifel ihm eine mögliche Erklärung dafür, was ihn verleitet hatte, sie zu berühren. »Wo lebt Ihre Familie?«
    »Ich habe Ihnen gestern Abend schon gesagt, dass ich keine Angehörigen habe.«
    Er musste sicher sein. »Weder Eltern noch Geschwister?«
    »Nein.« Ihr Ton bekam etwas Bitteres. »Ich wurde gleich nach der Geburt ausgesetzt und wuchs bei Pflegeeltern auf. Niemand hat mich je als Tochter oder Schwester oder Kusine dritten Grades reklamiert, aber wer das getan hätte, wäre vermutlich wegen Kindesaussetzung ins Gefängnis gekommen.« Sie wandte sich von ihm ab.
    Dansant kam sich wie ein Ungeheuer vor, weil er sie so bedrängte, doch was sie ihm erzählt hatte, deutete darauf hin, dass er mehr in Erfahrung bringen musste. Er beschloss, den Hintergrund seiner neuen Mitarbeiterin möglichst bald durch Meriden unauffällig prüfen zu lassen. »Ich wollte nicht unhöflich sein, Rowan.
Je suis désolé
.« Sein Personal würde gleich kommen, und er musste noch die Speisekarte schreiben. »Wie ist Ihre Handschrift?«
    »Lesbar, aber nichts Besonderes.«
    »Also tausendmal besser als meine.« Er nahm die Tafel von der Wand und gab Rowan ein Stück Kreide. »Wir haben eine kleine, täglich wechselnde Karte – fünf
plats principaux
, dazu
hors d’œuvres
und
desserts
. Die Hauptgerichte notieren wir zweisprachig.«
    Sie hob folgsam die Kreide. »Schießen Sie los.«
    »
Loup de mer rôti aux herbes
«, begann er, trat neben sie und sah ihr zu.
    »Gebratener Seewolf?« Ihr Grinsen kehrte zurück. »Mit oder ohne Fell?«
    »Gebratener
Wolfsbarsch
«, verbesserte er sie, »nur mit Kräutern.«
    Dansant diktierte ihr den Rest der Karte, über die sie ständig witzelte und aus der sie sogar eine Art Geschichte bastelte. Sein
poulet demi-deuil
war kein getrüffeltes Brathähnchen, sondern ein verwitwetes Huhn mit Depressionen; das
filet de bœuf au vin
hatte etwas Zweifelhaftes mit dem
Coq au vin
zu schaffen, vermutlich weil es mit
petits pois aux morilles
gedünstet oder mit Kohl und Kartoffeln zu einem
trinxat
verarbeitet worden war.
    »Armes Huhn«, seufzte Rowan, nachdem sie das letzte Gericht aufgeschrieben hatte. »Verliert seinen Hahn an ein Stück Rindfleisch, stopft sauteure Pilze in sich rein und wird zur Strafe gebraten.« Kichernd warf sie Dansant einen Seitenblick zu. »Ist Liebe nicht großartig?«
    Seine Heiterkeit verflog. Liebe war nicht großartig, sondern eine Tragödie, ein wahrer Schrecken. Für ihn konnte es niemals Liebe geben.
    Als Rowan am Vorabend in seinen Armen lag, hatte sie an seinen Lippen etwas gemurmelt, und in seinem Kopf war eine Stimme erwacht.
    Dieses Leben hat nie dir gehört. Und auch sie wird nie zu dir gehören
.
    Diese Stimme hatte sein Begehren so wirksam gelöscht wie ein Feuerwehrschlauch. Dansant hatte Rowan knurrend von sich geschoben und nur noch am Arm gehalten, damit sie nicht umkippte. Er hatte sich ihrer bemächtigt, sie nachgiebig gemacht, ihr vorübergehend aber auch Verstand und Willen geraubt, sodass sie seinem Begehren willenlos entsprochen hatte. Doch da sie keine Wahl gehabt hatte, dachte Dansant einmal mehr an das Monster, das er hinter seiner zivilisierten Fassade war und das ihn

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