Schleier der Traeume
sie das Bier getrunken hatte – sie hatte also wohl genug Zeit. »Was habe ich im Park Schlimmes gesagt? Warum sind Sie so verärgert?«
Er schüttelte den Kopf, trank einen kleinen Schluck und betrachtete eine gesprungene Bodenfliese.
Feindselig war die Stimmung nicht, aber auch nicht locker. Mit Rowans Kenntnis der männlichen Psyche war es wirklich nicht weit her, aber Meriden spielte offenbar den harten, schweigsamen Jungen, um etwas zu bemänteln.
Etwas, das – wie sie argwöhnte – nichts mit ihr zu tun hatte. »Wenn ich reinkommen soll, Sean, müssen Sie mehr von sich öffnen als ein Bier.«
Er verlagerte sein Gewicht, und als sie schon dachte, er würde sie zum Gehen auffordern, kam er zu ihr und setzte sich neben sie an den Tisch.
»Ich habe bei einem Brand einen Menschen verloren, der mir sehr nahestand«, sagte er rundheraus. »Das ist lange her. Und hat mich lange verfolgt.« Er zog eine Ecke seines Bieretiketts ab. »Verfolgt mich bis heute.«
Seine Stimme klang so rau, dass Rowan besser nicht nach Einzelheiten fragte. »Ich habe gerade den einzigen Mann verlassen, den ich je geliebt habe«, hörte sie sich ebenso unverblümt sagen. »Er wusste nichts von meinen Gefühlen und hat eine andere gefunden.« Sie nahm einen Schluck Bier. »Meine beste Freundin, zufälligerweise.«
Sean runzelte die Stirn. »Wusste sie, dass Sie ihn lieben?« Als sie den Kopf schüttelte, atmete er tief aus. »Mist. Sie führen sich wirklich nicht auf wie ein Mädchen.«
Durch ihr Lächeln schimmerte etwas Bitterkeit. »Nicht mal, wenn ich sollte.«
Sie saßen in kameradschaftlichem Schweigen zusammen, und Rowan überlegte, warum sie sich mit ihm so wohlfühlte. Von alten Wunden und Phasen allgemeiner Feindseligkeit der Welt gegenüber abgesehen, wusste sie praktisch nichts über ihn und er nichts über sie. Nach dem, was er über seine Vergangenheit gesagt hatte, hatte sie kein Interesse, tiefer zu schürfen. Dansant kannte ihn; vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, ihr etwas mehr über ihn zu verraten.
»Sie sagten, Sie arbeiten gern bei dem Franzosen«, begann Sean unvermittelt. »Wie ist er denn so?«
Das war eine Fangfrage. »Keine Ahnung. Okay, schätze ich. Was haben Sie gedacht, als Sie ihn kennenlernten?«
»Ich hatte nie das Vergnügen.«
Sie blinzelte. »Aber er arbeitet jeden Abend unten. Sie müssen doch durch die Küche, um ins Treppenhaus zu gelangen.«
»Wenn ich von der Arbeit komme, ist er immer schon verschwunden.« Er musterte ihre Miene. »Sie mögen ihn.«
»Er hat mir einen Job gegeben und mir die Wohnung mietfrei überlassen«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Wie sollte ich ihn da nicht mögen?«
»Ich weiß nicht.« Er klang gereizt. »Er ist Franzose.«
Als wäre das eine Geschlechtskrankheit! »Sie sind also nicht nur ein schlecht gelaunter Idiot, sondern auch noch ein Fanatiker.«
Das gefiel ihm nicht. »Beantworten Sie einfach meine Frage.«
»Wie er ist? Na, Franzose eben« – sie funkelte ihn an –, »groß, dunkel, hinreißend, begabt, reich und freundlich.« Sie dachte kurz nach. »Würde er Frauen lieben, wäre er perfekt.«
Meriden verschluckte sich fast an seinem Bier. »Was?«
»Er ist schwul.« Sie sah ihn aufspringen. »Lassen Sie mich raten: Auch Schwule mögen Sie nicht. Verraten Sie mir eins, Meriden: Gibt es irgendwen, den Sie
mögen
?«
»Er ist keine Schwuchtel.«
»Benutzen Sie nicht solche dummen Beleidigungen«, fuhr sie ihn an. »Er hat mir gesagt, dass er mit einem Mann zusammenlebt, und er hat ihn seinen Partner genannt –«
Meriden lachte auf, doch es klang nicht angenehm. »Das tut er. Aber sein Partner ist kein Homo.«
Jetzt war sie erneut baff. »Sie sagten doch, Sie seien Dansant nie begegnet.«
»Ich kenne seinen Partner.« Er nahm sein Bier, ging ans Fenster und stützte den Unterarm gegen den oberen Rahmen. »Nachdem Sie jetzt wissen, dass er auf Frauen steht, können Sie es ja mit ihm treiben.«
»
Treiben?
« Jetzt war sie es, die lachte. »Na klar. Ich bespringe ihn gleich nach meiner nächsten Schicht hinter der Fleischkühlung.«
»Viel Spaß dabei.« Er klang gelangweilt.
Rowans Verwirrung verflüchtigte sich. Sie hatte keinen Grund, zu bleiben und sich diesen Blödsinn weiter anzuhören. Er hatte ihr einen Gefallen damit getan, ihr zu sagen, dass Dansant heterosexuell war. Womöglich. Sie begriff noch immer nicht, wie er zu diesem Schluss gekommen war, vor allem, falls Dansant und sein Partner unauffällig auftraten.
Um noch
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