Schleier der Traeume
einen letzten Versuch zu wagen, stellte sie ihr Bier ab, stand auf und trat neben ihn ans Fenster. Die Straßen unter ihnen waren nahezu leer; nur ab und an kamen paarweise Spätheimkehrer vorbei.
»Dansant ist in Ordnung. Er ist ein anständiger Kerl und ein Zauberer am Herd, und ich mag ihn sehr. Dass er groß, dunkel und hinreißend ist, lässt sich schwer leugnen.« Sie hielt inne und suchte nach den passenden Worten für ihre Empfindungen. »Er hat mir aus freien Stücken geholfen. Ich schulde ihm nicht nur etwas, weil er mir aus der Bredouille geholfen hat. Er hat in gewisser Weise auch meinen Glauben an andere wiederhergestellt und mir gezeigt, dass es noch anständige Menschen gibt.«
Er wandte ihr den Kopf zu. »Werden Sie ihn ficken?«
Typisch Mann, alles auf Sex zu reduzieren! »Abgesehen davon, dass Sie das nicht das Geringste angeht? Nein.«
»Warum nicht?«
Jetzt klang er verärgert, und auch das brachte sie durcheinander. »Falls Sie es vergessen haben sollten: Ich arbeite für ihn. Mit seinem Chef zu schlafen, ist fast so schlau, wie ihn zu bestehlen. Dansant ist außerdem nicht meine Liga.«
»Ich dagegen schon.«
Er ist eifersüchtig!
Rowan hätte beinahe losgelacht.
Meinetwegen
. »Dann bin ich womöglich nicht Ihre Liga, Sean.«
Sie hatte nie einen besseren Abschiedssatz geäußert, und als sie in ihre Wohnung ging, wirkte er Wunder, was ihren beschädigten Stolz betraf. Doch als sie ins Bett fiel, begriff Rowan etwas, das ihr zuvor nicht aufgefallen war: Die beiden Männer, die sie am anziehendsten fand, waren plötzlich erreichbar geworden. Und wenn sie sich zwischen ihnen entscheiden sollte, käme sie in echte Schwierigkeiten.
Denn inzwischen war sie auf Sean offenbar so scharf wie auf Dansant.
Schwul. Sie hatte gedacht, der Franzose sei schwul. Verdammt und zugenäht!
Meriden schnappte seine Jacke, stürmte ins Erdgeschoss und schloss Dansants Büro auf. Nach zwei Streitereien mit Rowan binnen eines Tages hätte er das Zimmer verwüsten mögen, beließ es aber dabei, einen Edding aus der Schublade zu ziehen und einige Gedanken auf der Schreibunterlage des idiotischen Franzosen zu notieren. Doch hoppla – hatte er da gerade mit dem Ellbogen einen Stapel Rechnungen heruntergeworfen, die nun auf dem Boden verstreut lagen? Offenbar ja.
Er durfte nicht nach oben zurückkehren, bevor er sich nicht beruhigt hatte – nicht, solange sich lediglich ein Haufen dummer Missverständnisse und eine dünne Tür zwischen ihm und Rowan befanden. Sie war eine vorlaute und fordernde Zicke. Und das heißeste Weib, das er je an Ort und Stelle hatte nageln wollen.
Er fuhr zum Fluss und parkte mit Blick auf die Schlepper. Fünf Telefonnummern kamen ihm in den Sinn, alle von Frauen, die ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit willkommen heißen würden. Er brauchte nur anzurufen und würde fünfzehn Minuten später nackt zwischen weichen Schenkeln liegen. Er schuldete Rowan Dietrich nicht das Schwarze unterm Fingernagel.
Wollen Sie mein Sugardaddy sein?
Fluchend und mit quietschenden Reifen wendete Meriden und raste davon. Eine Stunde lang fuhr er in den Straßen um die Kaffeebar herum und hielt nach Kindern Ausschau, die ganz allein unterwegs waren und auf die Alanas Beschreibung zutraf. Doch die Nacht war kalt, und auf der Straße trieb sich nur herum, wer damit sein Geld verdiente.
Er hielt hinter einem Lkw der Stadtreinigung. Die beiden Männer, die Mülltonnen auf die Ladefläche leerten, musterten ihn, unterbrachen ihre Arbeit aber nicht.
»Kann ich kurz mit Ihnen reden?«, rief Meriden dem Größeren der beiden beim Näherkommen zu.
»Das ist ein freies Land«, gab der Mann zurück. Er klang lässig, behielt aber den leeren Eimer, den er wieder zum Bordstein rollen wollte, in der Rechten und schob die Linke in die Jackentasche, in der sicher eine Handfeuerwaffe oder ein Messer steckte.
»Ich bin Privatdetektiv«, sagte Meriden, zog seinen Ausweis heraus und hielt ihn dem Mann entgegen, damit er ihn sich ansehen konnte. »Haben Sie ein sechzehnjähriges Mädchen gesehen, klein, dünn, blonde Locken, blaue Augen?«
»Nicht dass ich wüsste. Ausreißerin?«
Meriden nickte.
»Tut mir leid für die Familie. Ich habe eine Tochter in dem Alter«, setzte er erklärend hinzu. »Ich würde die ganze Gegend auf den Kopf stellen, wenn sie sich hier rumtreiben würde.«
Meriden erwiderte sein grimmiges Lächeln. »Gibt’s hier einen Ort, an dem Jugendliche regelmäßig abhängen?«
Der Mann schüttelte
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