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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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einem einfachen Streit schon wieder, als bräche ihr das Herz. Dansant mochte noch so sehr glauben, sie zu begreifen – er verstand sie einfach nicht.
    Welche Frau ertrug körperliche Misshandlung ohne ein Murren, floh aber vor der Möglichkeit, ihre Begabungen voll zur Geltung zu bringen?
    Er hatte keine Zeit, länger mit dem Rätsel Rowan zu ringen. Sosehr er sie begehrte: Er musste alle Teile ihres Lebens zusammentragen, damit ihr Verhalten für ihn einen Sinn ergab. Etwas anderes zu tun, wäre nicht nur töricht, sondern auch gefährlich für sie beide.
    Es fiel ihm unsäglich schwer, sich von der Tür abzuwenden, und was er nun würde tun müssen, erfüllte ihn mit Verzweiflung. Aber das war der Preis seines neuen Lebens und der Hoffnung, endlich die Frau gefunden zu haben, die es mit ihm teilte.
    Meriden zog Jeans und Flanellhemd an, kam aus seiner Wohnung und blieb vor Rowans Tür stehen. Kaum hatte er sie gehört, langte er zum Türrahmen hoch, nahm den Ersatzschlüssel, den Dansant dort deponiert hatte, und schloss auf.
    Sie hatte gar nicht erst Licht gemacht, und er folgte ihrem Weinen, bis er sie eingerollt vor dem Fenster am Boden fand.
    »Rowan.« Er hob sie hoch, wich ihrem Faustschlag aus, trug sie zum Lehnstuhl, ließ sich mit ihr im Schoß darin nieder und knipste die Stehlampe an.
    Sie sah furchtbar aus.
    »Wie sind Sie reingekommen?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Vergessen Sie’s und verschwinden Sie.« Sie schob ihn weg. »Lassen Sie mich los.«
    »Kommt nicht in die Tüte, Törtchen.« Er hielt sie fest und ließ sie strampeln, bis ihr die Puste ausging und sie erschlaffte. Schluchzend drückte sie das Gesicht in sein Hemd, murmelte einzelne Worte und ungereimte Satzfetzen und erschauerte immer wieder.
    Meriden hielt sich nicht mit tröstenden Worten auf – die würden sie ohnehin nicht erreichen. Wohin sie auch ginge: Er wäre da, wenn sie wiederkam. Und langsam beruhigte sie sich und gewann die Beherrschung über ihre Glieder und ihre sich anfallsweise zu Fäusten ballenden Hände zurück.
    »Wenn Sie sagen, es tut Ihnen leid«, warnte er sie, als sie tief Luft holte, »prügele ich Sie windelweich.«
    »Es tut mir nicht leid.«
    »Braves Mädchen.« Er drückte ihren Kopf in den Nacken, um ihr Gesicht zu sehen. Die Nase war geschwollen, und sie hatte eine kleine Schramme an der rechten Wange. In ihm erhob sich leise Wut. »Wer hat Sie geschlagen?«
    »Ein Junge mit fiesen Händen.« Sie betastete Wange und Nasenwurzel. »Wie schlimm sehe ich aus?«
    »Wie nach einer Runde Boxen gegen Evander Holyfield.« Er drehte ihren Kopf zum Licht und musterte ihr Auge. Es war nicht getrübt. »Was war das für ein Junge?«
    »Der hat gebrochene Rippen – dank meines Ellbogens.« Sie sah ihm in die Augen. »Und auch das tut mir nicht leid.«
    Er nickte und spürte, wie sein Zorn nachließ. »Und was war das gerade?« Er strich ihr mit dem Daumen Tränenspuren von der Wange. »Eine Post-K.o.-Depression?«
    »Vielleicht.« Seufzend schmiegte sie sich wieder an seine Brust. »Sind Sie mal in einen Straßenkampf geraten, in einen fiesen?«
    Er dachte an den betrunkenen Marinesoldaten und seine vier Kameraden, die ihn vor dem
Clancy
attackiert hatten. »Ab und an.«
    »Beim ersten Ausreißen wusste ich noch nicht, wie man kämpft«, sagte sie. »Ich war ein kleines Kind und besaß kaum ein paar Dollar. Als ich mir etwas zu essen kaufen wollte, tauchten wie aus dem Nichts zwei Junkies auf. Der eine hielt mich von hinten fest, während der andere mich durchsuchte, und obwohl es ihnen schlecht ging und sie dringend einen Schuss brauchten, waren sie stark, Sean, verzweifelt stark. Sie nahmen mir das ganze Geld weg, und als ich sie verfolgen wollte, um es zurückzubekommen, haben sie mich gelehrt, wie leicht Rippen brechen.«
    »Was hatten Sie so jung auf der Straße zu suchen?«
    »Wohin hätte ich gehen sollen? Aber egal. Ein paar Tage später wurde ich aufgegriffen und wieder zu Pflegeeltern gesteckt.« Sie rieb ihr Auge und zuckte zusammen. »Haben Sie das Mädchen gesehen, das abends am Restaurant rumlungert? Ungefähr einen Meter sechzig groß, blond und spindeldürr?«
    Schon mehrmals hatte er in der Gasse jemanden gespürt, aber in allen schmalen Gängen von New York hauste irgendjemand, der nicht gesehen werden wollte. »Ihr Gesicht nicht, aber ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen.«
    »Ich bringe ihr manchmal Essen raus und versuche, mit ihr zu reden, aber sie läuft immer weg.« Sie zupfte an

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