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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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sie an sich. »Ich glaube, in deiner Sprache heißt das ›Findelkind‹.«

13
    Dansant spürte Rowan anhand ihres Dufts auf und fand sie ein Stück vom Lincoln Center entfernt auf der Bank einer Bushaltestelle. Zorn folgte seiner Erleichterung, als er sah, dass einige junge Männer sie von der anderen Straßenseite aus beobachteten, doch Rowans Tränen ließen seine Wut verfliegen.
    »Ich hätte auf Sie hören sollen«, sagte er vorsichtig und setzte sich zu ihr. »Als Sie sagten, Sie seien nicht so der Operntyp.«
    »Jetzt bin ich es jedenfalls nicht mehr – nicht nach dieser Vorstellung.« Sie nestelte an einem Handschuh herum. »Tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. Ich hatte einfach das Gefühl, in dem Bau zu ersticken.«
    Er behielt die Teenager im Auge, die sie weiter beobachteten, zückte sein Handy und rief ein Taxi. »Nächstes Mal probieren wir’s am Broadway.«
    Sie lehnte sich an die harten Bretter der Bank. »Wird es ein nächstes Mal geben?«
    »Noch viele Male, hoffe ich.« Er zog sein Taschentuch, doch statt es ihr anzubieten, trocknete er ihr die Tränen. Seltsamerweise setzte sich seine so auf Unabhängigkeit erpichte Rowan nicht dagegen zur Wehr. »Aber keine Tragödien mehr. Eine Komödie vielleicht. Neil Simon.«
    »Meinen Sie, Butterfly wollte ihr Kind umbringen und hatte bloß nicht den Mumm dazu?«, fragte sie plötzlich.
    Er bedachte die Frage, überlegte aber zugleich, woher sie rühren mochte. »Sie ist eine leidenschaftliche Gestalt, und die Liebe zu Pinkerton hat sie in den Selbstmord getrieben. Aber ihre Mutterliebe hätte nie zugelassen, dem Jungen wehzutun.«
    »Mutterliebe.« Sie schnaubte verächtlich. »Wenn ich daran glauben könnte.«
    »Ihre Mutter muss Gründe gehabt haben, Sie auszusetzen, Rowan. Vielleicht war sie sehr jung oder konnte Sie nicht ernähren. Vermutlich war sie sehr verängstigt.«
    »Und wenn sie nicht jung war?«, widersprach sie. »Und alle erdenklichen Möglichkeiten hatte, mich zu unterstützen? Vielleicht hat etwas anderes sie verängstigt. Etwas an mir. Womöglich hielt sie mich für böse.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Und vielleicht hatte sie recht damit.«
    »Erinnern Sie sich an Ihre Mutter?«
    »An meine leibliche Mutter?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie können Sie dann solche Fragen stellen?«
    »Egal.« Sie stand auf und sah die Straße rauf und runter. »Wo bleibt das blöde Taxi? Vielleicht sollten wir zur Met zurückgehen.«
    Dansant sah, dass die Jungs die Straßenseite gewechselt hatten und auf die Haltestelle zuhielten. Sie bewegten sich lässig und redeten miteinander, führten aber offensichtlich etwas im Schilde. »Ich schätze, das wäre klug.«
    Leider ließ das enge Kleid Rowan nicht ihre üblichen langen Schritte machen, und auf halber Strecke zum Lincoln Center hatten die Jugendlichen die beiden erreicht. Einige überholten Dansant, blieben stehen und drehten sich um, und im nächsten Moment waren die zwei eingekesselt.
    »Hast du ’nen Dollar übrig, Paps?«, fragte der direkt vor ihnen.
    »Hübscher Zwirn«, sagte ein anderer, diesmal zu Rowan. Er wollte ihren Ärmel befingern, und sie wich ihm aus. »Oha, die mag mich nicht.«
    Dansant ließ den Jungen vor ihm nicht aus den Augen. »Lasst uns durch.«
    »Durchlassen?« Der Junge streckte grinsend die Hand aus. »Das kostet dich die Brieftasche, Kumpel.«
    Ein anderer näherte sich von hinten und schob den Kopf über Rowans Schulter. »Bist du zu kaufen, Baby, oder kann man dich nur mieten?«
    »Nach den Vorstellungen kommt hier alle zehn Minuten ein Streifenwagen vorbei«, gab sie zurück. »Den letzten hab ich vor neun Minuten gesehen.«
    »Tja, so sind die Bullen – gehen um Mitternacht Kaffee trinken«, erwiderte der in der Mitte, »und kommen frühestens in einer halben Stunde wieder.«
    Der Junge hinter Rowan kicherte. »Viel Zeit, sich etwas besser kennenzulernen.« Er packte ihr von hinten an die Brust. Sie stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und fuhr im gleichen Moment herum. Er schrie vor Schmerz, griff sich in die Bauchgegend, holte mit dem Arm aus und schlug ihr ins Gesicht. Ihr Kopf flog zurück, und sie schwankte, blieb aber stehen.
    »Rowan.« Dansant sah Blut aus ihrer Nase fließen und spürte, wie ihn die Wut ergriff.
    »Mir geht’s gut.« Sie ballte die Fäuste und stellte sich so, dass sie Rücken an Rücken standen.
    Die übrigen Jungen lachten, und Dansant hielt ihnen die Brieftasche hin. Als der Anführer sie nehmen wollte, packte

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