Schleier und Schwert
die Dinge sehr geändert. Durch den Tod von Lord Maolise und dem Aufstieg seines eigenen Vaters zum Earl of the Orkneys war die Lage nicht mehr so stabil. Der Titel seines Vaters war nicht ererbt, sondern durch Heirat an ihn gefallen. Nun zwang der Streit zwischen dem König und seinen Söhnen Erengisl zum Handeln und führte zu Ruriks Rückkehr auf die Orkneys.
Rurik nickte der Wache zu, als er noch eine Runde ums Lager ging. Er konnte am besten denken, wenn er in Bewegung war. Und so versuchte er weiter herauszufinden, wie Margriet in all das hineinpasste. War es nur ein Zufall, dass sie beide zur gleichen Zeit zurückkehrten? War sein Auftrag, sie nach Hause zurück zu begleiten, nur ein wirksames Mittel, um sie aus dem Kloster herauszuholen?
Und welches Bündnis würde ihr Vater festigen, indem er sie verheiratete? Denn Ehen waren die Basis aller Dinge sie lagen den Verbindungen zwischen Familien, Freunden und Feinden zugrunde. Plante Gunnar vielleicht, Margriet einem Freund zum Geschenk zu machen, oder wollte er einen Handel besiegeln, um die Feindschaft zwischen zwei rivalisierenden Familien zu beenden?
Wie es auch sein mochte, Gunnar würde nicht an seinem Vorhaben festhalten können, da seine Tochter ins Kloster eingetreten war. Weder war diese Frau für ihn bestimmt, noch er für sie. Für die Dauer dieser Reise waren ihre Schicksale miteinander verbunden. Doch bei der Ankunft würden sie sich trennen und in völlig andere Richtungen verlaufen. Es war sogar sehr gut möglich, dass sie sich nach dieser Reise niemals wiedersahen.
Also würde er jetzt alles über sie und ihr Geheimnis herausfinden und dabei versuchen, sein eigenes Geheimnis zu schützen. Der Schmerz in ihren Augen, als er sich von ihr zurückzog, rief nur eigene Erinnerungen an ähnliche Gefühle in ihm wach. Und er hatte keine Lust, diese Gefühle noch einmal zu empfinden. Rurik würde warten, bis er das Angebot seines Vaters von dessen eigenen Lippen hörte. Erst dann würde er es glauben und annehmen.
Im Augenblick war er noch sein eigener Herr.
Was später sein würde, wusste nur der Allmächtige.
9. KAPITEL
Kaum hatte die Sonne über den Horizont geblinzelt, ertönte auch schon der Weckruf. Sie mussten aufstehen. Während sie ihr Morgenritual absolvierte, ihre Kräuter kaute und einen Schluck Wasser nahm, dachte Margriet bei sich, dass diese Reise schlimmer war als der durchgeplante Tagesablauf im Kloster. Dann weckte sie Elspeth. Das Mädchen schlief von dem Moment an, in dem sie ihren Kopf auf das Kissen legte, bis zu dem Augenblick, wo man sie beim Namen rief. Doch Margriet hatte die ganze Nacht keinen Schlaf gefunden.
Mit Recken und Strecken versuchte sie, ihre Rückenschmerzen zu vertreiben. Sie mussten der Grund für ihre Schlaflosigkeit gewesen sein. Dabei versteckte sie ihren Zopf unter ihrer Tunika, schlang sich den Wimpel um den Kopf und setzte den Schleier auf. Mit jedem Tag hasste sie diese Kopfbedeckung mehr diesen rauen Stoff, der Gesicht und Hals umschloss und der lange, kratzende Schleier, der schwer war und andauernd an ihren Haaren zog.
Es war sinnlos, sich über etwas zu beschweren, woran sie selbst schuld war. So kroch Margriet aus dem Zelt und stellte sich draußen in die kalte Morgenluft. Als sie sah, dass Donald der Wächter vor ihrem Zelt war, begrüßte sie ihn auf Gälisch und sagte alles noch einmal auf Norn mit der Aufforderung, die Worte zu wiederholen. Donald lächelte und versuchte, alles genauso auszusprechen wie sie. Das Ergebnis war grauenhaft. Gut war nur, dass er es überhaupt versucht hatte. Margriet war überzeugt, dass er mit der Zeit mehr Übung bekommen würde.
Nachdem Elspeth sich zu ihnen gesellt hatte, führte Donald sie auf einem Pfad zum Flussufer hinunter und ließ sie dann allein, während sie sich wuschen und andere Notwendigkeiten erledigten. Margriet wagte nur, die Binde des Wimpels ein wenig zu lösen und sich Gesicht und Hals mit Wasser zu benetzen.
Während sie zusah, wie Elspeth das Gleiche tat, wurde ihr bewusst, welches Opfer die junge Frau ihretwegen auf sich nahm. Wenn Elspeth auch ganz aufgeregt dem Plan zugestimmt hatte, weil er ihr die Möglichkeit gab, das Kloster und eine von Gebeten erfüllte Zukunft hinter sich zu lassen, so war diese Reise bis jetzt noch nicht sehr viel versprechend verlaufen. Wenn sie im Hause ihres Vaters angekommen sein würde und alle Missverständnisse und Fehler aus der Welt geräumt waren, würde Margriet dafür sorgen, dass sich
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