Schleier und Schwert
richtete sich wieder auf. Glaubt Ihr, dass es dem Beschluss Eures Vaters im Weg steht?
Mein Gelübde spielt keine Rolle, fürchte ich. Margrit richtete sich auf und sah ihn an. Wenn es diesen Eid nicht gäbe, sagte sie und dachte dabei an jenes Versprechen, das sie Finn gegeben hatte und das nichts mit einem religiösen Gelübde zu tun hatte, würde mein Vater dann Euch zu meinem Gatten erwählen? Noch bevor er ein Wort sagte, konnte sie die Antwort in seinem Gesicht lesen. Aber sie musste es wissen. Wahrscheinlich wusste Rurik mehr über ihren Vater und dessen Absichten als sie. Würde seine Wahl auf Euch fallen?
Rurik wollte verneinen und zugeben, dass Gunnar zwar stolz wäre, ihre beiden Familien durch eine Heirat miteinander verbunden zu sehen, aber eine solche Verbindung wäre unmöglich. Als Erengisl Berater von Maolise war und so an Macht gewonnen und die Tochter des alten Earls geheiratet hatte, so war er damals doch als beinah Ebenbürtiger, was Reichtum, Ländereien und Macht betraf, zum Earl gekommen. Auch wenn Gunnar Erengisl gegenüber unbedingt loyal war, besaß er unter den mächtigen Familien Norwegens und Schwedens keine solche Stellung.
Und wenn es für Gunnar auch ehrenvoll war, seine Tochter mit einem Sohn Erengisls zu verheiraten, Ruriks Vater hatte andere Pläne und würde eine solche Verbindung untersagen. Denn als Lohn dafür, dass Rurik nach Hause kam und seinen Platz einnahm, hatte er ihm die Ehe mit einer Frau des dänischen Königshauses versprochen. Gunnars Tochter war nicht hochgestellt genug für Erengisls Sohn.
Nein, seine Wahl würde nicht auf mich fallen, antwortete er ruhig und erlaubte ihr damit, sich lauter falsche Gründe für Gunnars Ablehnung vorzustellen. Das Warum war nicht wichtig. Wichtig war nur, dass die Antwort nein lautete.
Sie schien es unbedingt wissen zu wollen. Wenn morgen mein Gelöbnis gelöst würde, wäre dann eine Verbindung zwischen uns möglich?
Er sah sie an und sagte dann den Satz, der sie beide voneinander fernhalten würde, nicht nur für den Rest dieser Reise, sondern für den Rest ihres Lebens. Zwischen uns ist keine Verbindung möglich, Margriet.
Nun, dann ist wohl alles geklärt?
Das war der Abschied. Rurik wünschte von Herzen, es wäre auch so einfach, Margriet aufzugeben und sein Verlangen und seine Gefühle zu vergessen. Hätte er doch nur denken können: Es ist falsch, also existiert es nicht. Dann hätte er fortgehen können und müsste sich nicht weiter um ihre Sicherheit Sorgen machen. Oder um ihr zukünftiges Wohlergehen, wenn man sie an einen Mann verheiratete, dem sie noch nie begegnet war. Aber sein Herz und das passierte ihm erst zum zweiten Mal in seinem Leben wollte es nicht glauben.
Rurik stand auf und ging zum Fenster. Er öffnete es und lauschte dem Sturm, der draußen tobte. Wieso geschah das jetzt und wieso auf diese Art?
Seine Liebe zu Nara war langsam gewachsen, Tag für Tag. Aus der physischen Anziehung hatte sich ein tieferes, weniger heftiges Gefühl entwickelt. Oh, es hatte sehr wohl Leidenschaft zwischen ihnen gegeben. In den Nächten und auch an vielen Tagen hatten sie sich heiß geliebt.
Aber das hier das war etwas ganz anderes. War es also nur eine Leidenschaft? Nur Lust und keine Liebe? Er warf einen Blick auf Margriet, und ihm wurde klar, dass sie nichts getan hatte, um ihn zu betören. Wenn er sie gern hatte, dann weil er die Frau hinter der Nonne sah.
Sie war freundlich zu seinen Männern und das nicht nur, wenn sie krank waren, sondern auch, wenn sie sich mit ihnen unterhielt und sie eine fremde Sprache lehrte. Sie war intelligent. Aus ihrer Strategie, die sie während der Reise verfolgt hatte, aus dem meisterlichen Umgang mit der misslichen Lage, als fast alle von Krankheit befallen wurden, folgerte er, dass sie genauso gut organisieren, planen und handeln konnte wie irgendein Mann, den er kannte. Sie besaß Rückgrat, denn während ihrer kurzen Bekanntschaft hatte sie sich ihm unzählige Male widersetzt. Sie willigte in nichts ein, nur weil er es sagte.
Und sie besaß Mut.
Genug Mut, um mit nur einem alten Schafhirten und ein paar Pfeilen als Waffen ein Kloster gegen eine Anzahl Soldaten zu verteidigen.
Genug Mut, um sich einzugestehen, was wirklich zwischen ihnen war und sich dieser Wahrheit zu stellen, während er sie lieber ignoriert hätte.
Rurik atmete tief den Geruch des Sturmes ein und schloss dann wieder die Fensterläden. Er drehte sich zu ihr um
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