Schleier und Schwert
sie richtig darin las, sogar mit etwas wie Erleichterung. Er trat an ihr Bett, zog eine Bank heran und setzte sich.
Noch etwas, wofür ich Euch um Vergebung bitten muss, sagte er leise. Ich habe nicht erkannt, wie hart Ihr gearbeitet habt. Bis es dann zu spät war.
Rurik, bitte nicht
, begann sie und versuchte erneut, sich aufzurichten. Dieses Mal schob er den Arm unter sie, um ihr zu helfen, und das änderte alles. Mit einem in den Rücken gestopftem Kissen konnte sie aufrecht sitzen. Mit jeder Minute ließ das Schwindelgefühl in ihrem Kopf nach. Dadurch wurden auch ihre aufkommenden Magenbeschwerden gemildert. Ich tat nur, was jeder getan hätte.
Aber die meisten hätten es nicht auf Kosten ihrer Gesundheit getan.
Margriet fühlte sich nicht wohl bei diesem Thema, das doch sehr persönlicher Natur war. Deshalb überging sie seine Bemerkung. Geht es Schwester Elspeth gut?
Es geht ihr gut und auch dem Rest der Männer. Dank Eurer Bemühungen haben sich alle erholt.
Und Ihr und Sven? Wurdet Ihr nicht krank?
Nein. Thora sagte, dass die anderen, die Wild gegessen hatten, auch krank geworden sind. Ihr hattet recht mit Eurer Vermutung. Wir drei waren die Einzigen, die an jenem Abend nichts gegessen haben.
Dann hatte sie sich also nicht geirrt. Keine Pest oder sonst etwas Ansteckendes. Einfach nur schlechtes Essen.
Alle sind also wieder gesund?, fragte sie noch einmal, nur um sicherzugehen. Keiner ist der Krankheit zum Opfer gefallen?
Nein, Schwester. Allen geht es gut. Wie Ihr vorausgesagt habt, wünschten einige sich tatsächlichen den Tod, bevor es ihnen wieder besser ging. Dann lächelte er, und sein Lächeln traf sie ins Herz. Sie werden es Euch nie eingestehen, aber einige denken auch, dass das Gottes Strafe für ihre Sünden war.
Dieses Mal zwinkerte er leicht. Die Fröhlichkeit, die sein Gesicht erhellte, ließ auch Margriet lächeln. Als ihr allerdings klar wurde, welcher Sünden sie sich schuldig fühlte, wandte sie den Blick ab.
Dann bin ich also schon seit gestern hier? Sie trommelte mit den Fingern auf die Bettdecke.
Aye. Ihr habt einen ganzen Tag geschlafen, eine Nacht und noch einen ganzen Tag. Bald wird der Mond aufgehen. Er stand auf und ging zu einem der kleinen Fenster. Er entriegelte es und stieß die Läden auf. Obwohl man das bei diesem Regen nur äußerst schwer feststellen kann.
Margriet nickte und lauschte dem Regen, wie er auf das Dach trommelte und hinunterrann, auf die Bäume und den Boden tropfte.
Verzeiht bitte, dass Eure Reise sich jetzt wegen mir verzögert, sagte sie.
Da Ihr der Grund unserer Reise seid, erwiderte er, während er die Fensterläden wieder schloss, wäre ich schlecht beraten, ohne Euch weiterzureisen. Wieder versuchte er, alles mit einer gewissen Unbekümmertheit zu überspielen.
Wie lange werden wir hierbleiben?
So lange wie Ihr braucht, um wieder stark genug für die Reise zu sein.
Ich werde morgen so weit sein, Rurik.
Da lachte er. Der Klang seines Lachens drang tief in ihre Seele. Seine grünen Augen leuchteten, und aus seinem Gesicht war die Last vieler Jahre und Sorgen verschwunden. Es eilt nicht, Schwester. Ich will Euch nicht in Gefahr bringen, nur um auf unserer Reise einen Tag zu gewinnen.
Margriet lächelte. Sie fühlte sich nicht nur besser, weil sie wach war und sich aufsetzen konnte, sondern auch, weil er mit ihr sprach und nicht über sie. Aber
Sie kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen, denn er beugte sich vor und nahm ihre Hand in die seine. Er schloss die Finger um sie, hob sie an seine Lippen und drückte einen sanften, ja fast ehrfürchtigen Kuss auf ihren Handrücken. Margriet stockte der Atem. Leuchtende Funken tanzten vor ihren Augen bei dieser heißen Berührung.
Bei dieser verbotenen Berührung.
Margriet versuchte, sich an die Gefühle zu erinnern, die sie für Finn empfand. Er war doch der Mann, von dem sie wusste, dass sie ihn liebte. Der Vater ihres Kindes. Aber unter Ruriks Blick gelang es ihr nicht. Wenn sie ihn ansah, bekam jedes Wort und jedes Versprechen, das sie sich in Erinnerung rief, einen falschen Klang. Gott sei Dank fiel ihr Blick in diesem Moment auf die Nonnentracht, die auf dem Stuhl neben dem Bett lag. Ihr Anblick brach den Zauber zwischen Rurik und ihr.
Nichts ist zwischen uns geschehen, Rurik, sagte sie und entzog ihm, wenn auch nur ungern, ihre Hand.
Ist es wegen Eures Gelübdes?, fragte er und
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