Schleier und Schwert
dass Rurik ihn hier fand. Wie rührend! Er folgte ihr. Vielleicht keuchte er hinter ihr her und wollte mehr.
Bruder, entbot er ihm seinen Gruß, auch wenn die Worte in ihrer Beleidigung ihm im Mund brannten. War das Gunnars Tochter, die ich da gerade sah? Rurik zögerte mit seiner Antwort, also drängte er ihn. Sigurd zeigte sie mir, als sie heute hier ankam.
Ja, sie war es.
Thorfinn hob die Brauen. Seine Mimik zeigte, dass er eine Erklärung erwartete. Und er erhielt sie.
Wir mussten miteinander reden.
Ach ja, du musstest mit Gunnars Tochter reden, erwiderte er und tat dabei so aufrichtig, wie er konnte. Ihr zwei müsst über vieles miteinander zu reden haben. Er machte eine bedeutungsvolle Pause und fügte dann hinzu: Ihr beide seid gerade erst angekommen, und natürlich kennt ihr hier kaum jemanden.
Rurik nickte bei seinen Worten und mit einem kurzen Abschiedsgruß stieg er wieder die Stufen zu seinen Gemächern hinauf. Für den Moment hatte seine Jagd auf die Schlampe ein Ende.
Wenn man ihn jetzt fragte, konnte er wahrheitsgemäß sagen, dass er mitten in der Nacht Margriet aus Ruriks Gemächern hatte kommen sehen. Und Rurik, Ehrenmann, der er war, würde seine Worte bestätigen müssen und damit beide der Verdammnis ausliefern. Innerlich lachte Thorfinn über die Leichtigkeit, mit der man so manchen zur Schlachtbank führen konnte.
Eines von Ruriks größten Problemen war, dass er lernen musste, wozu der Mund einer Frau gut war. Nur zu einem
und das war nicht Reden. Diese Lektion kannten jene, die ihm dienten, nur zu gut. Auch Margriet würde sie in angemessener Zeit kennen.
19. KAPITEL
Vor fünf Tagen war Margriet in sein Gemach gekommen, und seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen. Er war ihr gefolgt, um ihrer Behauptung, was sie beide betraf, zu widersprechen. Doch als er auf Thorfinn traf, der gerade in seine eigenen Räume zurückkehrte, entschied er sich dagegen. Hin und her gerissen dazwischen, den endgültigen Entschluss zu akzeptieren, dass sie nicht zusammen sein konnten, und der Bitte, sie solle seine Liebe zu ihr annehmen, nahm er ihr Verschwinden als Antwort.
Mit seinem Vater und Thorfinn war er unterdessen zu ihren Liegenschaften nahe Birsay gereist. Er hatte mehr über ihre Geschäfte und über etliche Unternehmungen in Kirkvaw erfahren, die sich in ihrem Besitz befanden. Ihre Fischerboote stellten die Hälfte aller Boote, die in den Wassern vor den wichtigsten Inseln fischten. Und ihr Korn machte mehr als ein Drittel allen Korns aus, das nach Schottland und Norwegen geliefert wurde. Allein sein Einkommen dort machte Erengisl zu einem sehr reichen Mann.
Erengisl stellte ihn auch einer der Damen aus Lady Agnes Verwandtschaft vor, die mit dem dänischen König verwandt war. Lady Ingeborg war reizend, zurückhaltend, respektvoll, reich und von königlichem Geblüt. Alles, was Margriet nicht war. Und Rurik ertappte sich dabei, dass er hoffte, sie würde ihm zuzwinkern oder etwas, das er sagte, infrage stellen oder seine Bitte ablehnen. Er hoffte einfach, sie würde irgendetwas anderes tun, als ihm mit dieser unaufhörlichen Freundlichkeit in allem zuzustimmen. Nachdem er einige Stunden in ihrer Gesellschaft verbracht hatte, wusste er, dass sie nie etwas Ungebührliches tun würde, zum Beispiel sich als Nonne verkleiden oder sich vorsätzlich in einen Fluss fallen lassen, weil ihr zu heiß ist. Oder ihm folgen, wenn er wütend war.
Aber wenn alle Verhandlungen abgeschlossen waren, würde sie seine Gattin und die Mutter seiner Kinder werden. Wenn er so darüber nachdachte, dann barg das vor ihm liegende Leben alle Möglichkeiten, von ihr zu Tode gelangweilt zu werden. Denn Ingeborg würde die perfekte Gattin für Erengisls Sohn sein.
Während der nächsten Tage war Rurik bei einigen der wichtigsten Händler eingeladen. Und jeder von ihnen versuchte, ihn mit seinem Reichtum und seiner Großzügigkeit zu beeindrucken. Man schenkte ihm Pferde, Silber und sogar einige Diener. Das überraschendste Geschenk wurde ihm eines Abends präsentiert, als er bei dem Händler war, der zwei Marktflecke für seinen Vater betrieb und beauftragt war, Viehherden und anderes Getier auf die Inseln zu schaffen.
Er hätte erwartet, dass er etliche Stück Vieh oder einige frisch geschlachtete Schweine oder Ziegen erhalten würde. Stattdessen öffnete Rurik kurz vor Einbruch der Dämmerung die Tür zu seinem Gemach und fand dort die Tochter des Mannes vor. Bis auf die Bänder
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