Schließe deine Augen
hat Kikis Mann reagiert?«
»Der verrückte Carl? Der Zugführer unterm Tannenbaum? Gar keine Reaktion. Ich glaube, sein Seelenklempner hat ihn so mit Xanax vollgepumpt, dass er nicht mehr reagieren kann . Der reinste Zombie. Oder ein erstklassiger Schauspieler.«
»Weiß man schon was über Ursache und ungefähren Todeszeitpunkt?«
»Wurde erst heute Morgen ausgebuddelt. War aber auf jeden Fall schon eine Weile unter der Erde. Vielleicht ein paar Monate, also ungefähr seit der Zeit von Hectors Verschwinden.«
»Und die Ursache?«
»Der Bericht von der Gerichtsmedizin ist noch nicht da, aber nach dem Anblick der Leiche würde ich glatt eine Vermutung äußern.« Hardwick hielt inne.
Gurney biss die Zähne zusammen. Er wusste, was jetzt kam.
»Meiner Meinung nach hat ihr Tod was damit zu tun, dass ihr der Kopf abgehackt wurde.«
46
Nichts Schriftliches
Gurney kam erst weit nach Mitternacht nach Hause, und der wenige Schlaf, den er fand, war nicht der Rede wert.
Als er am nächsten Morgen mit Madeleine beim Kaffee saß, führte er seine Rastlosigkeit auf seinen Verdacht gegen »Jykynstyl« und die zunehmende Intensität des Falls Perry zurück. Ohne es zu erwähnen, führte er sie auch auf die chemischen Substanzen zurück, die er unwissentlich zu sich genommen hatte.
»Du hättest ins Krankenhaus gehen sollen.«
»Ich bin bald wieder in Ordnung.«
»Vielleicht legst du dich noch mal hin.«
»Viel zu viel los. Außerdem bin ich zu kribbelig zum Schlafen.«
»Was willst du machen?«
»Arbeiten.«
»Du weißt aber, dass heute Sonntag ist.«
»Klar.« In Wirklichkeit hatte er es völlig vergessen. Seine Desorientiertheit machte ihm Angst. Er musste sich mit etwas Konkretem beschäftigen, um Schritt für Schritt einen Weg zur Klarheit zu finden.
»Ruf doch in der Praxis von Dichter an, vielleicht kann er dir heute noch einen Termin geben.«
Er schüttelte den Kopf. Dichter war ihr Hausarzt. Dr. Dichter. Es klang so albern, dass er immer lächeln musste. Nur heute nicht.
»Du sagst doch, dass man dich vielleicht unter Drogen gesetzt hat. Nimmst du das auch ernst genug? Was für eine Droge meinst du denn?«
Er hütete sich, den Geist von Rohypnol zu beschwören. Die sexuellen Assoziationen würden eine Flut von Fragen und Sorgen auslösen, denen er sich derzeit nicht gewachsen fühlte. »Bin mir nicht sicher. Wahrscheinlich etwas mit Filmrisswirkung, ähnlich wie Alkohol.«
Sie musterte ihn eindringlich, und er fühlte sich völlig nackt.
»Egal, was es war, es hat schon nachgelassen.« Ihm war klar, dass er zu beiläufig klang, zu sehr darauf bedacht, das Thema zu wechseln.
»Vielleicht solltest du ein Gegenmittel nehmen.«
Er schüttelte den Kopf. »Das besorgt der natürliche Entgiftungsprozess des Körpers. Ich brauche im Moment nur etwas, worauf ich mich konzentrieren kann.« Dieser Gedanke brachte ihn direkt zurück zum Fall Perry, zu dem Telefongespräch mit Hardwick am vergangenen Abend und zu der plötzlichen Einsicht, dass er wegen der Neuigkeiten um Melpomene und Kiki Mullers verwesende Hand ganz den eigentlichen Grund seines Anrufs bei Hardwick vergessen hatte.
Kurz darauf hatte er ihn in der Leitung.
»Skard?«, knarzte Hardwick knatschig. »Ja, der Name ist im Zusammenhang mit Karnala Fashion gefallen. Übrigens haben wir Sonntagmorgen. Verdammte Scheiße, ist das wirklich so dringend?«
Der Umgang mit Hardwick verlief nie reibungslos. Aber wenn man sich auf das Spiel einließ, wurde es einfacher. Ein möglicher Ansatz war, dass man seine Vulgarität überbot. »So dringend, wie wenn dir jemand eine Schrotflinte an die Eier hält.«
Mehrere Sekunden lang schwieg Hardwick, als müsste er überlegen, wie viele Punkte für kunstvolle Ausdrucksweise er vergeben sollte. »Karnala Fashion ist ein komplizierter Laden, kaum festzunageln. Gehört einer anderen Firma, die einer anderen Firma gehört, die einer anderen Firma auf den Kaimaninseln gehört. Verdammt schwer zu sagen, was für Geschäfte die eigentlich betreiben. Aber anscheinend gibt es eine Verbindung nach Sardinien und von dort zur Familie Skard. Und die Skards sollen angeblich ziemlich üble Figuren sein.«
»Angeblich?«
»Damit möchte ich nicht behaupten, dass es da irgendwelche Zweifel gibt. Es gibt nur keinen legalen Beweis dafür. Laut unseren Freunden bei Interpol wurde noch nie ein Mitglied der Familie Skard wegen irgendwas verurteilt. Mögliche Zeugen überlegen es sich jedes Mal anders. Oder sie
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