Schließe deine Augen
geschossen. »Da passen zu viele Dinge nicht zusammen. Irgendwo in dieser Gleichung sind fehlerhafte Daten.«
»Was für fehlerhafte Daten?«
Bevor sie etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür zum Konferenzraum, und eine magere Frau trat ein, die aus einem Bild von Grant Wood hätte stammen können. Ihre grauen Augen suchten den Captain. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Sir.« Ihre Stimme schien von den gleichen kalten Winden geschärft wie ihr Gesicht. »Etwas Wichtiges hat sich ergeben.«
»Kommen Sie rein. Und schließen Sie die Tür.«
Nachdem sie der Anweisung des Captains gefolgt war, stand sie stocksteif da wie ein Gefreiter, der auf die Erlaubnis zum Reden wartet.
Rodriguez schien erfreut. »Na schön, Gerson, was ist los?«
»Wir wurden informiert, dass eine der jungen Frauen auf unserer Anrufliste vor drei Monaten einem Mord zum Opfer gefallen ist.«
»Vor drei Monaten?«
»Ja, Sir.«
»Kennen Sie die Einzelheiten?«
»Ja, Sir.«
»Schießen Sie los.«
Ihr Gesicht war so steif wie der gestärkte Kragen ihrer Bluse. »Name: Melanie Strum. Alter: achtzehn. Am 1. Mai dieses Jahres Abschluss an der Mapleshade Academy. Zuletzt gesehen von Mutter und Stiefvater am 6. Mai in Scarsdale, New York. Ihre Leiche wurde am 12. Juni im Keller einer Villa in Palm Beach entdeckt.«
Rodriguez zog eine Grimasse. »Todesursache?«
Gerson presste die Lippen zusammen.
»Todesursache?«
»Der Kopf wurde ihr abgeschnitten, Sir.«
Rodriguez starrte die Beamtin an. »Wie sind diese Informationen zu uns gelangt?«
»Durch die laufenden Anrufe. Melanie Strums Name stand auf der mir zugeteilten Liste. Ich habe telefoniert.«
»Mit wem haben Sie gesprochen?«
Sie zögerte. »Darf ich meine Notizen holen, Sir?«
»Aber bitte schnell.«
In der Minute ihrer Abwesenheit redete nur Kline. »Das könnte es sein.« Er strahlte vor Aufregung. »Das könnte der Durchbruch sein.«
Anderson machte ein Gesicht, als hätte er eine wunde Stelle im Mund. Hardwick wirkte äußerst gespannt. Wiggs Miene blieb undurchdringlich. Gurney war weniger bestürzt, als er zugeben mochte. Sicher war das Fehlen von Schock und Trauer darauf zurückzuführen, dass er von Anfang an mit dem Tod der Vermissten gerechnet hatte. (Gelegentlich, wenn er allein und erschöpft war, versagte sein inneres Abwehrsystem, und er sah sich als so vollkommen abgetrennt vom Leben der anderen, als so krankhaft fixiert auf das Lösen von Rätseln, dass er kaum noch die Bezeichnung Mensch verdiente. Doch diese verstörende Vorstellung verschwand, wenn er nach festem Schlaf wieder ausgeruht war, und dann erklärte er sich sein fehlendes Mitgefühl als normales Nebenprodukt einer Karriere im Gesetzesvollzug.)
Mit einem Notizblock kehrte Gerson zurück. Das braune, straff zu einem Pferdeschwanz nach hinten gezurrte Haar verlieh ihren Zügen eine schädelähnliche Unbeweglichkeit.
»Captain, hier sind die Informationen über den Strum-Anruf.«
»Dann los.«
Sie schaute auf den Block. »Ich habe mit Roger Strum gesprochen, Melanies Stiefvater. Als ich ihm den Grund des Anrufs erklärte, zeigte er sich verwirrt und dann zornig darüber, dass wir nichts von Melanies Tod wussten. Seine Frau Dana Strum hat sich am Nebenanschluss an der Unterhaltung beteiligt. Beide waren sehr aufgeregt. Folgende Fakten habe ich von ihnen erfahren: Nach einem Hinweis ist die Polizei von Palm Beach in das Haus von Jordan Ballston eingedrungen und hat in einer Gefriertruhe im Keller Melanies Leiche entdeckt. Die Polizei …«
Kline unterbrach sie. »Jordan Ballston, ist das nicht dieser Hedgefondsmakler?«
»Hedgefonds wurden nicht erwähnt; aber bei meinem Folgetelefonat mit der Polizei von Palm Beach hat der Kollege gesagt, dass Ballston in einem millionenteuren Haus wohnt.«
»In der Gefriertruhe, verdammt?« Blatt schien besonders von der Möglichkeit einer Lebensmittelverunreinigung betroffen.
»Also gut«, sagte Rodriguez. »Weiter.«
»Mr und Mrs Strum waren vor allem empört darüber, dass Ballston auf Kaution freigekommen ist. Wen hat er bestochen? Hat er den Richter in der Tasche? Und so weiter. Mr Strum ließ fallen, dass er ›dem Scheißkerl persönlich eine Kugel in den Kopf jagt, wenn der sich da rauskaufen kann‹. Das hat er mehrmals wiederholt. Immerhin konnte ich klären, dass sie mit Melanie am 6. Mai einen Streit um ein Auto hatten, das sie ihr schenken sollten – einen Porsche Boxster für siebenundvierzigtausend Dollar. Als sie sich weigerten, hat
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