Schließe deine Augen
Gefühl von Freiheit und in dem Impuls nieder, sofort zur Tat zu schreiten.
Er trat ins Arbeitszimmer und rief Val Perry an.
Ihre Mailbox meldete sich, und er war versucht, ihr eine Kündigungsnachricht zu hinterlassen, doch dann erschien ihm das zu unpersönlich, zu feige. Also teilte er ihr nur mit, dass er so bald wie möglich mit ihr reden musste. Dann holte er sich ein Glas Wasser, ging ins Schlafzimmer und nahm drei Ibuprofen.
Madeleine war vom Schaukelstuhl zum Bett umgezogen. Angekleidet lag sie auf der Decke und schlief friedlich. Still legte er sich zu ihr.
Als er mittags erwachte, war sie fort.
Leise Furcht beschlich ihn, doch gleich darauf beruhigte er sich, als er sie an der Spüle hörte. Im Bad klatschte er sich Wasser ins Gesicht, putzte sich die Zähne und schlüpfte in frische Kleider, um das Gefühl zu bekommen, dass ein neuer Tag anbrach.
Als er in die Küche trat, goss Madeleine gerade Suppe aus einem großen Topf in ein Plastikgefäß. Nachdem sie das Gefäß in den Kühlschrank und den Topf in die Spüle gestellt hatte, trocknete sie sich mit einem Geschirrtuch die Hände. Ihre Miene verriet nichts.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen«, verkündete er.
Ihr Blick sagte ihm, dass sie schon alles wusste.
»Ich ziehe mich aus dem Fall zurück.«
Sie faltete das Tuch zusammen und hängte es über den Rand des Abtropfständers. »Warum?«
»Wegen dem, was passiert ist.«
Mehrere Sekunden lang studierte sie sein Gesicht, dann wandte sie sich nachdenklich dem Fenster bei der Spüle zu.
»Ich habe Val Perry eine Nachricht hinterlassen«, fügte er hinzu.
Sie drehte sich wieder zu ihm um. Ihr Mona-Lisa-Lächeln kam und ging wie ein aufgewehtes Blatt. »Das Wetter ist wunderschön. Möchtest du ein bisschen rausgehen?«
»Klar.« Normalerweise hätte er den Vorschlag abgelehnt oder sie nur widerwillig begleitet; doch jetzt fehlte ihm jede Kraft zu einer Weigerung.
Es war einer jener milden Septembertage, an denen es draußen so warm war wie drinnen. Als sie durch die Seitentür hinaustraten, war der einzige Unterschied der herbstliche Geruch in der Luft. Der Polizist in seinem Streifenwagen beim Spargelbeet kurbelte das Fenster herunter und sah sie fragend an.
»Wir vertreten uns nur kurz die Beine«, erklärte Gurney. »Wir bleiben in der Nähe.«
Der junge Beamte nickte.
Sie folgten dem Streifen am Waldrand, den sie immer mähten, damit keine Schösslinge aufs Feld vordrangen. In gemächlichem Bogen schlenderten sie hinunter zur Bank am Teich und ließen sich schweigend nieder.
Im September war es um den Weiher herum still – ganz im Gegensatz zu Mai und Juni, wenn die quakenden Frösche und singenden Amseln mit ihren Revierlauten für eine ununterbrochene Geräuschkulisse sorgten.
Madeleine nahm seine Hand.
Er verlor jedes Gefühl für die Zeit.
Irgendwann sagte sie leise: »Es tut mir leid.«
»Was?«
»Meine Erwartung … dass alles immer so sein muss, wie ich will.«
»Vielleicht wäre es ganz gut, wenn alles so wäre. Vielleicht hast du recht.«
»Das würde ich gern glauben. Aber … wahrscheinlich stimmt das nicht. Und ich finde, du solltest den Auftrag, den du angenommen hast, nicht aufgeben.«
»Ich bin fest entschlossen.«
»Dann überleg’s dir noch mal.«
»Warum?«
»Weil du Polizist bist und ich kein Recht habe, von dir zu verlangen, dass du dich auf magische Weise in jemand anderen verwandelst.«
»Von Magie verstehe ich nichts … Aber du hast natürlich das Recht zu verlangen, die Dinge auch mal anders zu betrachten. Auf jeden Fall habe ich kein Recht darauf, irgendwas für wichtiger zu halten als deine Sicherheit und dein Glück. Manchmal denke ich an Sachen, die ich getan habe … Situationen, die ich ausgelöst habe … Gefahren, denen ich nicht genug Beachtung geschenkt habe … und dann glaube ich, ich muss verrückt sein.«
»Manchmal vielleicht«, erwiderte sie. »Ein bisschen.« Mit einem traurigen Lächeln blickte sie hinaus über den Teich und drückte seine Hand. Es war vollkommen windstill. Selbst die Spitzen des hohen Rohrkolbenschilfs verharrten reglos wie auf einer Fotografie. Sie schloss die Augen, doch ihr Gesichtsausdruck wurde schmerzvoller. »Ich hätte dich nicht so angreifen und dich nicht als Scheißkerl beschimpfen dürfen. Das hast du nicht verdient, von niemandem.« Sie blickte ihn offen an. »Du bist ein guter Mensch, David Gurney. Ein ehrlicher Mensch. Intelligent und talentiert. Vielleicht der beste Detective auf der
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