Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
einem Achselzucken stoppte er vor der Kapelle und schaltete den Motor aus. »Aber ob mit oder ohne Kirche, wir müssen alle auf die eine oder andere Weise für unsere Sünden büßen, nicht wahr?«
    »Wo sind denn alle?«
    »Drinnen.«
    Gurney betrachtete die imposante Fassade in der Farbe dunkler Schatten.
    »Dr. Ashton auch?« Gurney deutete auf das Bogentor.
    »Ich bringe Sie hin.« Lazarus stieg aus.
    Sie folgten ihm durch das Tor in einen schummrigen Vorraum, dessen Geruch Gurney an die Gemeindekirche seiner Jugend in der Bronx erinnerte: eine Mischung aus Mauerwerk, modrigem Holz und dem uralten Ruß verbrannter Kerzendochte. Es war ein seltsam entrücktes Aroma, das das Bedürfnis in ihm weckte, zu flüstern und leise aufzutreten. Hinter einer zweiflügeligen schweren Eichentür, die wohl ins Innere der Kapelle führte, war das Gewirr vieler Stimmen zu hören.
    In den Steinsturz über der Tür war ein Wort gemeißelt: HIMMELSPFORTE .
    Gurney wies auf die Tür. »Dr. Ashton ist da drinnen?«
    »Nein. Die Schülerinnen sind dort. Um sich zu beruhigen. Alle ein bisschen aufgeregt heute – diese Sache mit Savannah Liston, Sie wissen schon. Dr. Ashton ist oben auf der Orgelempore.«
    »Orgelempore?«
    »Das war es früher. Inzwischen ist alles umgebaut. Zu einem Büro.« Hinter einem schmalen Durchgang am Ende des Vorraums zeichneten sich dunkle Stufen ab. »Die Tür am Ende der Treppe.«
    Gurney fröstelte. Er wusste nicht, ob es die natürliche Temperatur der Granitmauern war oder Lazarus’ Blick, den sie im Rücken spürten, als sie die Steinstufen erklommen.

74
Wider alle Vernunft
    Am Ende des engen Treppenschachts lag ein kleiner Absatz im scharlachfarbenen Schein eines Buntglasfensters. Gurney klopfte an die einzige Tür. Wie die Türen unten wirkte sie schwer, düster, abweisend.
    »Herein.« Ashtons sonore Stimme klang angestrengt.
    Trotz ihres Gewichts öffnete sich die Tür leicht und lautlos auf einen großzügig geschnittenen Raum, der wie das Studierzimmer eines Bischofs anmutete. Kastanienbraune Bücherschränke an zwei fensterlosen Wänden. Ein kleiner Kamin aus rußigem unbehauenem Stein mit alten Feuerböcken aus Messing. Ein alter Perserteppich auf dem Boden, der umlaufend mit einem seidig glänzenden Kirschholzsaum begrenzt war. Mehrere große Lampen auf vereinzelten Tischen tauchten die dunklen Holztöne in einen bernsteinfarbenen Schimmer.
    Mit beunruhigter Miene saß Scott Ashton an einem kunstvollen Eichenschreibtisch, der im Neunziggradwinkel zur Tür aufgestellt war. Hinter ihm auf einer Kommode mit geschnitzten Löwenkopfbeinen stand das wichtigste Zugeständnis des Raums an das einundzwanzigste Jahrhundert: ein großer PC- Flachbildschirm. Mit vager Geste winkte er Gurney und Hardwick zu zwei roten Samtstühlen mit hoher Lehne, wie man sie in der Sakristei einer Kathedrale finden konnte.
    »Es wird immer schlimmer«, knirschte Ashton.
    In der Annahme, dass sich die Äußerung auf den Mord an Savannah Liston bezog, wollte ihm Gurney sein Beileid ausdrücken.
    Doch Ashton beachtete ihn gar nicht und redete weiter. »Dieser ganze Ansatz mit dem organisierten Verbrechen will mir sowieso nicht in den Kopf.«
    Erst jetzt bemerkte Gurney das Bluetooth-Headset, und ihm wurde klar, dass der Psychiater mitten in einem Telefongespräch war. »Ja, ich verstehe. Ich verstehe. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Fall mit jedem Schritt nach vorn bizarrer wird. Ja, Lieutenant. Morgen früh. Ja, gut. Danke, dass Sie mir Bescheid gesagt haben.«
    Schließlich wandte sich Ashton seinen Gästen zu, schien aber noch ganz mit der gerade beendeten Unterhaltung beschäftigt.
    »Neuigkeiten?«, fragte Gurney.
    »Ist Ihnen diese Theorie einer … kriminellen Verschwörung bekannt? Dass vielleicht sardische Gangster ihre Finger im Spiel haben?« In Ashtons gequälter Miene spiegelte sich eine Mischung aus Anspannung und Fassungslosigkeit.
    »Ich habe davon gehört«, antwortete Gurney.
    »Besteht Ihrer Ansicht nach die Möglichkeit, dass sie der Wahrheit entspricht?«
    »Eine Möglichkeit schon.«
    Kopfschüttelnd senkte Ashton den Blick auf den Schreibtisch, dann fixierte er seine Besucher. »Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?«
    »Nur so ein Bauchgefühl«, sagte Hardwick.
    »Ein Bauchgefühl? Was meinen Sie damit?«
    »In jedem Fall gibt es einen Punkt, wo alle Fäden zusammenlaufen. Und hier ist der Ort der Schlüssel. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn wir einfach ein bisschen herumlaufen und

Weitere Kostenlose Bücher