Schließe deine Augen
Wahrheit und Gerechtigkeit? Die Chance, Rodriguez einen Arschtritt zu verpassen? Oder ihr fantastischer Arsch?«
»Schwer zu sagen, Jack.« Er legte einen besonderen Akzent auf den Namen, als wäre er ein schneller linker Haken. »Im Moment bin ich nur neugierig auf das Video.«
»Tatsächlich? Nicht zu Tode gelangweilt in deinem Ruhestand? Nicht heiß darauf, wieder ins Geschehen einzugreifen? Nicht scharf darauf, der scharfen Lady zu helfen?«
»Mich interessiert bloß das Video. Hast du’s dabei?«
»Den Mordfilm? So was hast du noch nie gesehen, alter Knabe. Hochauflösende DVD , live am Tatort aufgenommen, als das Verbrechen passiert ist.«
Hardwick stand mitten in dem großen Raum, der als Küche, Ess- und Wohnzimmer diente. Auf der einen Seite stand ein professioneller Kochherd und ihm gegenüber, zwölf Meter entfernt, ein Steinkamin neben einem alten Holzherd. In wenigen Sekunden hatte er alles erfasst. »Mann, wie ein Feature aus Mother Earth News. «
»Der DVD -Spieler ist im Arbeitszimmer.« Gurney schritt voran.
Das Video begann mit einer fesselnden Luftaufnahme der ländlichen Gegend, dann fuhr die Kamera in steilem Winkel über frühjahrsgrüne Baumwipfel nach unten, um einer schmalen Straße und einem rauschenden Bach zu folgen – parallele Bänder aus schwarzem Asphalt und glitzerndem Wasser, die eine Reihe gepflegter Häuser mit weiten Rasenflächen und malerischen Nebengebäuden verbanden.
Ein Anwesen, das größer und erhabener war als alle anderen, kam ins Bild, und die Kamerafahrt verlangsamte sich. Über einem riesigen, smaragdgrünen, narzissengesäumten Rasen stoppte sie schließlich und senkte sich sanft zum Boden.
»Meine Güte«, ächzte Gurney. »Die haben einen Hubschrauber gemietet, um das Hochzeitsvideo zu drehen?«
»Macht das heute nicht jeder?«, knarzte Hardwick. »Der Hubschrauber war nur für die Einleitung. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Video von vier fest installierten Kameras aufgenommen, die das ganze Grundstück im Blick hatten. Es gibt also zu dem ganzen Geschehen im Freien eine komplette Ton- und Bilddatei.«
Das cremefarbene Steinhaus mit den umliegenden Terrassen und frei gestalteten Blumenbeeten wirkte, als wäre es direkt aus dem bukolischen Südwesten Englands hierher verpflanzt worden.
»Wo ist das überhaupt?«, fragte Gurney, während er sich mit Hardwick auf der Couch vor dem Bildschirm niederließ.
Hardwick spielte den Überraschten. »Du kennst den exklusiven Weiler Tambury nicht?«
»Sollte ich?«
»Tambury ist ein Sammelbecken wichtiger Menschen, und du bist doch auch wichtig. Jeder, der was auf sich hält, kennt jemanden in Tambury.«
»Da bin ich wohl noch eine Nummer zu klein. Möchtest du mir vielleicht verraten, wo es liegt?«
»Ein Stunde nordöstlich von hier, auf halbem Weg nach Albany. Wenn du willst, kann ich es dir genau beschreiben.«
»Das wird nicht nötig …« Gurney stockte. »Moment mal. Das liegt nicht zufällig in Sheridan Klines …«
Hardwick schnitt ihm das Wort ab. »In Klines County? Und ob. Du hast also Gelegenheit, mit deinen alten Freunden zusammenzuarbeiten. Der Bezirksstaatsanwalt hat eine Schwäche für dich.«
»O Gott«, knurrte Gurney.
»Der hält dich für ein echtes Genie. Natürlich hat er die Lorbeeren für den Mellery-Triumph eingeheimst, er ist eben ein beschissener Politiker. Aber tief in seinem Innersten weiß er, dass er diesen Erfolg nur dir zu verdanken hat.«
Gurney schüttelte den Kopf. »Tief im Innersten von Sheridan Kline ist nur ein schwarzes Loch.«
»Davey, Davey, Davey. Du hast so eine schlechte Meinung von Gottes Kindern.« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, wandte sich Hardwick dem Bildschirm zu und fing an, das Video zu kommentieren.
»Partyservice.« Ein Team stachlig frisierter junger Männer und Frauen in schwarzen Hosen und strahlend weißen Jacken baute eine Serviertheke und ein halbes Dutzend Wärmetische auf.
»Der Gastgeber.« Ein lächelnder Mann in mitternachtsblauem Anzug mit einer roten Blume im Knopfloch trat aus dem Bogendurchgang an der Rückseite des Hauses und schlenderte hinaus auf den Rasen. »Bräutigam, Ehemann, Witwer – alles an einem Tag. Du kannst es dir aussuchen.«
»Scott Ashton?«
»Höchstpersönlich.«
Der Mann strebte am Rand des Blumenbeets zur rechten Seite, doch kurz bevor er aus dem Bild verschwand, änderte sich die Kameraeinstellung und zeigte, wie er auf ein kleines Gästecottage zusteuerte, das an der Grenze des Rasens zum Wald stand,
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