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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Unterbringung der gestörten Töchter schuldbewusster Eltern lässt sich viel Geld verdienen. Je beängstigender sie sich verhalten, desto mehr zahlen die Eltern, um sie loszuwerden.«
    »Unabhängig davon, ob sie sich erholen?«
    Kale lachte auf. »Ich darf ganz offen sein, Detective, um jeden Rest von Zweifel darüber zu zerstreuen, womit wir es hier zu tun haben. Wenn Sie herausfinden, dass Ihr zwölfjähriges Kind Fünfjährige vergewaltigt hat, wird Ihnen unter Umständen kein finanzieller Aufwand zu groß sein, um dieses verrückte Kind ein paar Jahre aus dem Verkehr zu ziehen.«
    »Solche Kinder kommen an die Mapleshade Academy?«
    »Genau.«
    »Gehörte auch Jillian Perry zu ihnen?«
    In Kales Gesicht zuckte es. »Die Erwähnung von Schülernamen in diesem Kontext bringt uns an den Rand eines rechtlichen Minenfelds. Leider sehe ich mich außerstande, diese Frage zu beantworten.«
    »Ich habe bereits eine zuverlässige Beschreibung von Jillians Verhalten. Ich erwähne sie nur wegen des zeitlichen Rahmens. War sie nicht schon in Mapleshade, bevor Dr. Ashton die Ausrichtung der Schule verändert hat?«
    »Das stimmt. Ohne mich genauer zur kleinen Perry zu äußern, kann ich sagen, dass Mapleshade von jeher Schüler mit einem breiten Spektrum von Problemen angenommen hat. Es gab also immer einige, die viel kränker waren als die anderen. Ashton hat den Schwerpunkt dann ganz auf die Schwerkranken verlegt. Wenn man denen ein Gramm Koks gibt, dann verführen sie einen Gaul. Ist Ihre Frage damit beantwortet?«
    Nachdenklich fixierte Gurney den roten Holzofen. »Ich verstehe, dass Sie sich ungern über Vertraulichkeitsgrundsätze hinwegsetzen wollen. Aber Jillian Perry kann nicht mehr geschädigt werden, und der Erfolg der Fahndung nach ihrem Mörder hängt vielleicht davon ab, wie viel ich über ihre vergangenen Kontakte herausfinden kann. Wenn Ihnen Jillian je etwas anvertraut …«
    »Halt! Was mir anvertraut wurde, bleibt geheim.«
    »Es steht viel auf dem Spiel, Doktor.«
    »Allerdings. Meine Integrität. Ich werde nichts preisgeben, was mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt wurde. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Leider ja.«
    »Wenn Sie mehr über die Mapleshade Academy und ihre Umgestaltung von einer Schule in einen Zoo erfahren wollen, können wir in allgemeinen Worten darüber sprechen. Aber Einzelpersonen müssen unberührt bleiben. Wir leben in einer Welt, in der man leicht ins Rutschen geraten kann, Detective. Und den einzigen Halt bieten uns unsere Prinzipien.«
    »Welches Prinzip hat Sie zu Ihrem Abschied von der Schule bewegt?«
    »Mapleshade wurde zu einem Heim für sexuelle Psychopathen. Die meisten von Ihnen brauchen keine Therapeuten, sondern Exorzisten.«
    »Hat Dr. Ashton an Ihrer statt jemand anderen eingestellt?«
    »Er hat jemand für die gleiche Position eingestellt.« Nun brannte in Kales Augen fast schon echter Hass.
    »Wen?«
    »Er heißt Lazarus. Emil Lazarus. Das sagt alles.«
    »Inwiefern?«
    »Dr. Lazarus besitzt etwa so viel Wärme und Leben wie ein Kadaver.« Der bitteren Endgültigkeit in Kales Stimme entnahm Gurney, dass das Gespräch zu Ende war.
    Wie aufs Stichwort setzte die Flöte wieder ein, und die klagenden Klänge von Danny Boy trieben ihn aus dem Haus.

33
Eine einfache Umkehrung
    Der lebende Mythos, der entscheidende Traum, die alles verändernde Vision stand ihm genauso lebhaft vor Augen wie beim ersten Mal.
    Es war, als würde er einen Film sehen und wäre zugleich in ihm, als würde er vergessen, dass es ein Film war, und ihn erleben und fühlen – eine Erfahrung, die viel realer war, als es die sogenannte Realität je gewesen war.
    Es lief immer gleich ab.
    Johannes der Täufer ist barfuß und nackt bis auf ein schlichtes braunes Lendentuch, das kaum seine Genitalien bedeckt. Es ist mit einem rauen Ledergürtel festgeschnallt, an dem ein primitives Jagdmesser hängt. Er steht neben einem ungemachten Bett in einem Raum, der zugleich Schlafzimmer und Kerker ist. Keine sichtbaren Fesseln halten ihn, dennoch kann er weder Arme noch Beine bewegen. Es ist ein klaustrophobisches Gefühl, und er fürchtet zu ersticken, wenn er das Gleichgewicht verliert und auf das Bett fällt.
    Herab in den Kerker kommt über dunkle Steinstufen Salome geschritten. In einer wirbelnden Wolke aus Parfüm und durchscheinender Seide nähert sie sich. Wogend und tanzend bewegt sie sich, eher einer Natter gleichend als einem Menschen. Die Seide gleitet von ihr ab, entschwindet,

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