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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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um mit der Familie zu brechen – um zu verschwinden, ohne dass die Polizei eingeschaltet wird –, muss die Forderung nach dem Auto zwei Bedingungen erfüllen. Erstens muss es um so viel Geld gehen, dass eine Ablehnung garantiert ist. Zweitens müssen die Eltern überzeugt sein, dass ihre Tochter es ernst meint. Die unterschiedlichen Modelle haben als solche vielleicht keine Bedeutung; entscheidend könnte aber der Preis sein. Anders ausgedrückt, die Forderung nach einem Wagen im Wert von zwanzigtausend Dollar hat in der einen Familie vielleicht den gleichen Effekt wie die nach einem Auto für vierzigtausend in einer anderen.«
    »Schlau.« Kline lächelte anerkennend. »Wenn Sie recht haben, dann ist dieser Flores ein echter Denker. Ein Wahnsinninger vielleicht, aber auf jeden Fall ein Denker.«
    »Aber er hat auch sinnlose Dinge getan.« Gurney erhob sich, um sich Kaffee nachzuschenken. »Dieser idiotische Schuss auf die Teetasse – wozu war das gut? Hat er wirklich Ashtons Jagdgewehr gestohlen, um seine Teetasse platzen zu lassen? Wozu so ein Risiko? Übrigens …« Gurney musterte Blatt. »Wussten Sie, dass Withrow Perry ein Gewehr des gleichen Kalibers besitzt?«
    »Wovon reden Sie da überhaupt?«
    »Die auf die Teetasse abgefeuerte Kugel stammt aus einem .257 Weatherby. Ashton besitzt eines, das er als gestohlen gemeldet hat, aber Perry hat auch eines. Vielleicht sollten Sie da mal nachhaken.«
    Verlegene Stille entstand, als sich Rodriguez und Blatt eilig Notizen machten.
    Nach einem vorwurfsvollen Blick auf beide wandte sich Kline wieder Gurney zu. »Okay, wissen Sie sonst noch was, was uns nicht bekannt ist?«
    »Schwer zu sagen. Wie viel wissen Sie über den verrückten Carl?«
    »Wen?«
    »Der Mann von Kiki Muller.«
    »Was hat er damit zu tun?«
    »Gar nichts vielleicht, abgesehen von einem guten Motiv, Flores zu töten.«
    »Flores wurde nicht getötet.«
    »Können wir uns da so sicher sein? Er ist spurlos verschwunden. Er könnte irgendwo in einem Garten verscharrt sein.«
    »Hey, hey, was soll das?« Die Aussicht auf noch mehr Arbeit schien Anderson allmählich ernsthaft aus der Fassung zu bringen. »Was läuft hier eigentlich? Sollen wir uns jetzt auch noch mit erfundenen Mordszenarien rumschlagen?«
    Auch Kline wirkte verwirrt. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Bisher gehen wir immer davon aus, dass sich Flores zusammen mit Kiki Muller aus der Gegend abgesetzt hat oder dass er sich vorher noch ein paar Tage in ihrem Haus versteckt hat. Angenommen, Flores war noch da, als Carl von seinem Aufenthalt auf dem Meer zurückgekommen ist. Den Vernehmern dürfte wohl nicht entgangen sein, dass Carl nicht ganz richtig im Kopf ist, oder?«
    Kline machte einen Schritt vom Tisch weg, wie um sich einen besseren Überblick über das Panorama des Falls zu verschaffen. »Moment mal. Wenn Flores tot ist, kann er nicht für das Verschwinden der anderen Frauen verantwortlich sein. Auch nicht für den Schuss auf Ashtons Teetasse. Und auch nicht für die SMS , die Ashton von Flores’ Handy bekommen hat.«
    Gurney zuckte die Achseln.
    Frustriert schüttelte der Bezirksstaatsanwalt den Kopf. »Jetzt, wo wir gerade anfangen, Land zu sehen, fegen Sie auf einmal alles wieder vom Tisch.«
    »Ich fege gar nichts vom Tisch. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass Carl beteiligt ist. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass seine Frau beteiligt ist. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir nicht so viele solide Fakten haben, wie Sie vielleicht meinen. Entscheidend ist, dass wir für alle Möglichkeiten offen bleiben.« Obwohl er damit riskierte, für noch mehr böses Blut zu sorgen, fügte er hinzu: »Die Festlegung auf eine falsche Hypothese zu einem frühen Zeitpunkt ist vielleicht der Grund, warum die Untersuchung bisher zu keinem Ergebnis geführt hat.«
    Kline fixierte Rodriguez, der die Tischplatte anstarrte, als wäre sie ein Höllengemälde. »Was meinen Sie, Rod? Glauben Sie, wir sollten die Sache noch mal neu bewerten? Dass wir dieses Rätsel vielleicht von der verkehrten Seite angepackt haben?«
    Rodriguez schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.« Seine Stimme war heiser vor unterdrückter Anspannung.
    Nach den Mienen am Tisch zu urteilen, war Gurney nicht als Einziger verblüfft, als sich der Captain ungelenk vom Stuhl erhob und das Zimmer verließ, in dem er es offenbar keine Sekunde mehr aushielt.

36
Im Herzen der Finsternis
    Nach dem Abschied des Captains verlor die Besprechung ihre Ordnung.

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