Schloss aus Glas
korrigiert hatte, neu und druckten sie aus. Ich ließ die korrigierten Zeilen durch die Heißwachsmaschine laufen, die die Rückseite klebrig machte, schnitt sie mit einem Schneidemesser aus und klebte sie über die ursprünglichen Zeilen.
Ich verhielt mich zwar möglichst unauffällig in der Nachrichtenredaktion, doch eine von den Setzerinnen, eine mürrische Frau, die eine Zigarette nach der anderen rauchte und immerzu ein Haarnetz trug, konnte mich nicht leiden. Sie hielt mich für schmutzig. Wenn ich an ihr vorbeiging, drehte sie sich manchmal zu ihren Kollegen um und sagte: »Findet ihr nicht, dass es hier komisch riecht?« Genau wie Lucy Jo, die Mom im Auto mitnahm, sprühte sie mit einem Desinfektions- und Raumspray in meine Richtung. Dann beschwerte sie sich bei dem Chefredakteur Mr. Muckenfuss, ich hätte vielleicht Läuse und könnte sie auf alle in der Redaktion übertragen. Mr. Muckenfuss beriet sich mit Miss Bivens, und sie sagte zu mir, wenn ich immer schön sauber bliebe, würde sie sich für mich einsetzen. Von da an ging ich wieder einmal die Woche bei Grandpa und Onkel Stanley baden, machte aber jedes Mal einen großen Bogen um Onkel Stanley.
Immer wenn ich bei der Daily News war, schaute ich den Redakteuren und Reportern bei der Arbeit zu. Sie hörten die ganze Zeit den Polizeifunk ab, und wenn ein Unfall oder ein Brand oder eine Straftat gemeldet wurde, schickte die Redaktion einen Reporter los. Der kam dann gut zwei Stunden später zurück und tippte einen Artikel, der in der nächsten Ausgabe der Zeitung erschien. Ich war begeistert. Bis dahin waren Texteschreiber für mich Leute wie Mom, die vor ihrer Schreibmaschine hockten und an ihren Romanen, Theaterstücken und an ihrer Lebensphilosophie arbeiteten und ab und zu ein Absageschreiben erhielten. Die Zeitungsreporter dagegen verkrochen sich nicht vor der Welt da draußen, sondern hatten Kontakt zu ihr. Was der Reporter schrieb, beeinflusste das, was die Leute dachten und worüber sie am nächsten Tag sprachen. Er wusste, was wirklich los war, und ich wollte auch zu den Leuten gehören, die wussten, was wirklich los war.
Wenn ich meine Arbeit erledigt hatte, las ich die Artikel von den Nachrichtenagenturen. Da wir zu Hause keine Zeitungen oder Zeitschriften bezogen, hatte ich gar nicht richtig mitbekommen, was in der Welt passierte, nur das, was wir aufschnappten, wenn Mom und Dad irgendwelche Ereignisse kommentierten, und für sie waren alle Politiker Gauner, alle Cops Schläger und alle Kriminellen Opfer von Polizeiwillkür. Ich hatte plötzlich das Gefühl, zum ersten Mal die ganze Geschichte zu erfahren, als würden mir die fehlenden Teile eines Puzzles gereicht, und die Welt wurde für mich endlich ein wenig verständlicher.
Manchmal hatte ich das Gefühl, Maureen im Stich zu lassen, als würde ich mein Versprechen nicht halten, sie immer zu beschützen - das Versprechen, das ich ihr gegeben hatte, als wir sie nach ihrer Geburt aus dem Krankenhaus abholten und ich sie auf der Fahrt nach Hause auf dem Arm halten durfte. Ich konnte ihr nicht einmal das Wichtigste verschaffen: ein regelmäßiges heißes Bad, ein warmes Bett und morgens vor der Schule einen dampfenden Teller Grießbrei, aber ich versuchte es mit kleinen Dingen. In dem Jahr wurde sie sieben, und ich sagte zu Brian und Lori, wir sollten Maureens Geburtstag besonders schön feiern. Wir wussten, dass Mom und Dad ihr nichts schenken würden, also sparten wir über Monate und kauften ihr Spielzeug-Küchengeräte, die ziemlich echt aussahen: Die Trommel in der Waschmaschine drehte sich, und der Kühlschrank hatte kleine Metallregale drin. Wir dachten, so könnte sie beim Spielen wenigstens so tun, als hätte sie saubere Anziehsachen und regelmäßige Mahlzeiten.
»Erzählt mir noch mal von Kalifornien«, sagte Maureen, nachdem sie die Geschenke ausgepackt hatte. Sie war zwar da geboren, aber ihre früheste Erinnerung hatte sie an Battie Mountain. Sie hörte unsere Geschichten über unser Leben in der kalifornischen Wüste nur zu gern, und wir erzählten ihr immer wieder, wie es da war: wie jeden Tag die Sonne schien und es so warm war, dass wir sogar mitten im Winter barfuß herumliefen, wie wir Salat auf den Feldern aßen und Unmengen Weintrauben pflückten und auf Decken unter dem Sternenhimmel schliefen. Wir erzählten ihr, sie hätte deshalb blondes Haar, weil sie in einem Bundesstaat zur Welt gekommen war, wo man Unmengen Gold gefunden hatte, und ihre
Augen wären so blau
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