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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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dass ich nicht zu der Sorte Mädchen gehörte. Aber eigentlich brauchte ich mir keine allzu großen Gedanken zu machen, was das Abwehren von Annäherungsversuchen anging, denn schließlich war ich - wie Ernie Good mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit versicherte -schweinekoteletthässlich. Und damit meinte er, so hässlich, dass ein Hund nur mit mir spielen würde, wenn ich mir ein Schweinekotelett um den Hals binden würde.
    Ich sah, wie Mom sich ausdrückte, unverwechselbar aus. Eine schmeichelhafte Formulierung. Ich war fast ein Meter achtzig groß, blass wie ein Froschbauch, und ich hatte leuchtend rotes Haar. Meine Ellbogen waren gefährlich spitz und meine Knie groß wie Untertassen. Aber mein auffälligstes -und schlimmstes - Merkmal waren meine Zähne. Sie waren nicht verfault oder schief. Im Gegenteil, sie waren groß und gesund. Aber sie standen einfach zu weit vor. Die obere Zahnreihe drängte sich so energisch nach vorn, dass ich den Mund kaum ganz zumachen konnte, und ich streckte ständig die Oberlippe, um sie zu bedecken. Wenn ich lachte, hielt ich mir die Hand vor den Mund.
    Lori meinte, ich würde übertreiben, so schlimm sähen meine Zähne gar nicht aus. Sie sind ein bisschen bockig, sagte sie, sie haben einen gewissen Pippi-Langstrumpf-Charme. Mom sagte, mein Überbiss würde meinem Gesicht Charakter verleihen. Brian sagte, sie wären ganz praktisch, falls ich je mal einen Apfel durch eine Masche im Zaun hindurch essen müsste.
    Ich wusste, dass ich eine Zahnspange brauchte. Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaute, sehnte ich mich nach einem so genannten Stacheldrahtmund, wie die anderen Kinder sagten. Mom und Dad hatten natürlich kein Geld für eine Zahnspange - keins von uns Kindern war je bei einem Zahnarzt gewesen -, aber ich hatte angefangen, zu babysitten und für Mitschüler gegen Bares die Hausaufgaben zu machen, um mir das Geld für eine Spange zusammenzusparen. Ich hatte keine Ahnung, wie teuer Zahnspangen waren, daher fragte ich, nachdem ich ihr ein Kompliment über ihre Gebissregulierung gemacht hatte, das einzige Mädchen in meiner Klasse, das eine Spange trug, was ihre Eltern dafür hatten aufbringen müssen. Als sie sagte, zwölfhundert Dollar, hätte es mich fast umgehauen. Das war mehr, als unser Haus kostete. Ich verdiente als Babysitter einen Dollar die Stunde. Ich arbeitete fünf oder sechs Stunden die Woche, somit würde ich, wenn ich jeden Gent sparte, das Geld in etwa fünf Jahren zusammenhaben.
    Ich beschloss, mir selbst eine Zahnspange zu machen.
    Ich ging in die Stadtbücherei und fragte nach einem Buch über Orthodontie. Die Bibliothekarin musterte mich irgendwie komisch und sagte, sie habe keins, also blieb mir nichts anderes übrig, als mein Glück auf eigene Faust zu versuchen. Meine Experimente liefen nicht ohne Rückschläge ab. Zunächst nahm ich ein einfaches Gummiband. Bevor ich ins Bett ging, wickelte ich es mir um die gesamte obere Zahnreihe. Das Gummiband war klein, aber dick und saß schön straff. Leider drückte es mir unangenehm auf die Zunge, und manchmal sprang es mitten in der Nacht ab, und ich wurde wach, weil es einen Würgereiz auslöste. Meistens jedoch blieb es die ganze Nacht sitzen, und mir tat morgens von dem Druck auf die Zähne das Zahnfleisch weh.
    Das fasste ich als viel versprechendes Zeichen auf, aber ich hatte Angst, dass das Gummiband vielleicht meine hinteren Zähne nach vorn zog statt meine vorderen nach hinten. Also nahm ich größere Gummibänder und wickelte sie mir so um den Kopf, dass sie gegen die Vorderzähne drückten. Das Problem bei dieser Methode war, dass die Gummibänder sehr stramm saßen - sonst wäre die Wirkung gleich null gewesen -und ich morgens deshalb mit Kopfschmerzen aufwachte und auf den Wangen tiefe rote Gummibandstriemen hatte.
    Ich erkannte, dass eine fortschrittlichere Technik erforderlich war. Ich bog einen Drahtbügel in die Form eines Hufeisens, damit er um meinen Hinterkopf passte, und die zwei Enden nach außen, sodass sie, wenn ich den Bügel um den Kopf trug, vom Gesicht abstanden und Haken bildeten, die das Gummiband hielten. Als ich die Vorrichtung ausprobierte, drückte der Bügel mir gegen den Hinterkopf, und ich polsterte die Stelle mit einer Damenbinde aus.
    Meine Erfindung funktionierte einwandfrei, nur dass ich flach auf dem Rücken schlafen musste, was ich noch nie gut konnte, vor allem wenn es kalt war und ich mich gern tief in die Decken kuschelte. Und manchmal sprang das Gummiband

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