Schloss aus Glas
Lunch getroffen. Ich sagte, dass ich mich mit ihr treffen wolle, und lud sie zu mir nach Hause ein, aber sie wollte lieber in ein Restaurant. Sie ging für ihr Leben gern essen, also verabredeten wir uns zum Lunch bei ihrem Lieblingschinesen.
Mom saß schon da und studierte die Speisekarte, als ich eintraf. Sie hatte sich extra ein bisschen zurechtgemacht. Sie trug einen sackartigen grauen Pullover, der nur ein paar helle Flecken hatte, und schwarze Herrenschuhe aus Leder. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen, doch Hals und Schläfen waren noch immer dunkel von Schmutz.
Sie winkte begeistert, als sie mich sah. »Da ist ja meine Kleine!«, rief sie. Ich küsste sie auf die Wange. Mom hatte die ganzen Plastikpäckchen mit Sojasauce und Ketchup und Senfsauce vom Tisch in ihrer Handtasche verschwinden lassen. Nun kippte sie auch noch eine Holzschale mit Trockennudeln hinein. »Ein kleiner Happen für später«, erklärte sie.
Wir bestellten, und Mom nahm etwas mit Meeresfrüchten. »Du weißt ja, ich liebe Meeresfrüchte«, sagte sie.
Mom fing an, über Picasso zu reden. Sie hatte sich eine Retrospektive von ihm angesehen und fand, dass er völlig überbewertet wurde. Das ganze kubistische Zeug sei ihrer Meinung nach nichts als Firlefanz. Nach seiner rosa Periode habe er nichts Nennenswertes mehr zustande gebracht.
»Mom, ich mache mir Sorgen um dich«, sagte ich. »Sag mir, wie ich dir helfen kann.«
Ihr Lächeln erstarb. »Wie kommst du darauf, dass ich deine Hilfe brauche?«, sagte sie.
»Ich bin nicht reich«, sagte ich. »Aber ich habe etwas Geld. Sag mir, was du brauchst.«
Sie überlegte einen Moment.
»Ich könnte eine Elektrolysebehandlung gebrauchen.«
»Sei doch mal ernst.«
»Ich bin ernst. Wenn eine Frau gut aussieht, fühlt sie sich auch gut.«
»Bitte, Mom.« Ich spürte, dass sich meine Schultern verkrampften, wie immer bei diesem Thema. »Ich meine irgendwas, das dir helfen könnte, dein Leben zu ändern, es zu verbessern.«
»Du willst mir helfen, mein Leben zu ändern?«, fragte Mom. »Mir geht's gut. Du bist es, die Hilfe braucht. Deine Werte sind total durcheinander geraten.«
»Mom, ich hab dich neulich im East Village gesehen, wie du im Müll herumgestochert hast.«
»Tja, in diesem Land wird viel zu viel weggeschmissen, und das ist meine Art von Recycling.« Sie aß eine Gabel von ihren Meeresfrüchten. »Wieso hast du mich nicht begrüßt?«
»Es war mir einfach zu peinlich, Mom. Ich hab mich versteckt.«
Mom zeigte mit ihren Essstäbchen auf mich. »Da siehst du's«, sagte sie. »Ganz klar. Genau das hab ich gemeint. Du schämst dich viel zu schnell. Dein Vater und ich sind, wie wir sind. Akzeptier das endlich.«
»Und was soll ich sagen, wenn man mich nach meinen Eltern fragt?«
»Sag einfach die Wahrheit«, sagte Mom. »Ganz einfach.«
II
Die Wüste
Ich stand in Flammen. Das ist meine früheste Erinnerung. Ich war drei Jahre alt, und wir wohnten in einem Wohnwagenpark in irgendeiner Stadt, irgendwo in Südarizona. Ich trug ein rosa Kleid, das meine Großmutter mir gekauft hatte, und stand auf einem Stuhl vor dem Herd. Rosa war meine Lieblingsfarbe. Das Kleid hatte einen kurzen Rock, der abstand wie ein Tutu, und wenn ich es anhatte, drehte ich mich gern vor dem Spiegel im Kreis und stellte mir vor, ich wäre eine Ballerina. Doch in dem Augenblick trug ich das Kleid, um Hot Dogs zu kochen. Ich sah zu, wie sie im kochenden Wasser nach oben trieben und tanzten, während die Vormittagssonne durch das winzige Küchenfenster des Wohnwagens drang.Ich hörte Mom nebenan singen, während sie an einem ihrer Gemälde arbeitete. Juju, unser schwarzer Hund, schaute mir zu. Ich spießte eins von den Hot Dogs mit einer Gabel auf, bückte mich und hielt es ihm hin. Das Würstchen war heiß, deshalb leckte Juju zögernd daran, aber als ich mich aufrichtete und wieder im Topf rührte, spürte ich einen Hitzeschwall an meiner rechten Seite. Ich wandte den Kopf und merkte, dass mein Kleid brannte. Starr vor Schrecken sah ich zu, wie die gelbweißen Flammen eine gezackte braune Linie durch den rosa Kleiderstoff fraßen und an meinem Bauch emporstiegen. Dann sprangen die Flammen hoch und erreichten mein Gesicht.
Ich schrie. Ich roch Brandgeruch und hörte ein grässliches Knistern, als das Feuer meine Haare und Wimpern versengte. Juju bellte. Ich schrie wieder.
Mom kam ins Zimmer gerannt.
»Mommy, Hilfe!«, kreischte ich. Ich stand noch immer auf dem Stuhl, schlug mit der Gabel, die ich zum
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