Schloss aus Glas
schwer.«
»Nicht schwerer als wir«, sagte ich.
»Oh doch«, sagte Lori. »Schließlich ist sie mit Dad verheiratet.«
»Sie hat es ja so gewollt«, sagte ich. »Sie muss strenger werden, feste Regeln für Dad aufstellen, statt immer nur einen hysterischen Anfall zu kriegen. Dad braucht eine starke Frau.«
»Selbst eine Karyatide wäre für Dad nicht stark genug.«
»Was ist denn das?«
»Säulen in Frauenform«, sagte Lori. »Diese Statuen, die auf den Köpfen die griechischen Tempel tragen. Ich hab neulich ein Foto davon gesehen und mir gedacht: Die Frauen haben den zweithärtesten Job der Welt.«
Ich war anderer Meinung als Lori. Ich dachte, eine starke Frau wäre in der Lage, Dad zu lenken. Er brauchte jemanden, der zielstrebig und entschlossen war, der Ultimaten setzte und auf deren Einhaltung bestand. Ich hielt mich für stark genug, Dad im Zaum zu halten. Als Mom zu mir gesagt hatte, meine Zielstrebigkeit sei ihr unheimlich, war das nicht als Kompliment gemeint, das war mir klar, aber für mich war es das.
Mit dem Ferienbeginn in jenem Sommer bekam ich die Chance zu beweisen, dass ich mit Dad fertig werden würde. Mom musste für acht Wochen nach Charleston zu einer pädagogischen Fortbildung an der Uni. Das sagte sie zumindest.
Ich fragte mich, ob sie nicht einfach mal ihre Ruhe von uns haben wollte. Lori durfte dank ihrer guten Noten und ihrer Kunstmappe in ein staatlich gefördertes Sommercamp für Schüler mit besonderen Begabungen. Somit war ich mit meinen dreizehn Jahren der Haushaltsvorstand.
Bevor Mom abreiste, gab sie mir zweihundert Dollar. Das sei eine Stange Geld, sagte sie, und es würde reichen, um Brian, Maureen und mich zwei Monate lang zu ernähren und die Wasser- und Stromrechnungen zu bezahlen. Ich rechnete es durch. Ich kam auf fünfundzwanzig Dollar die Woche oder etwas mehr als drei Dollar fünfzig am Tag. Ich stellte einen Haushaltsplan auf und kalkulierte, dass wir tatsächlich so eben über die Runden kommen könnten, wenn ich mit Babysitten noch was hinzuverdiente.
In der ersten Woche lief alles nach Plan. Ich kaufte ein und kochte für Brian, Maureen und mich. Es war fast ein Jahr her, seit der Mann vom Jugendamt uns einen solchen Schrecken eingejagt hatte, dass wir das Haus von oben bis unten geputzt hatten, und nun sah es wieder aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Mom hätte einen Anfall bekommen, wenn ich irgendwas weggeworfen hätte, aber ich verbrachte Stunden damit, aufzuräumen und das ganze Gerümpel halbwegs zu verstauen.
Dad kam meistens erst nach Hause, wenn wir schon im Bett waren, und er schlief noch, wenn wir morgens aufstanden und aus dem Haus gingen. Aber eines Nachmittags, gut eine Woche nachdem Mom nach Charleston gefahren war, bekam er mich allein im Haus zu fassen.
»Schätzchen, ich brauch ein bisschen Geld«, sagte er.
»Wofür?«
»Bier und Zigaretten.«
»Ich hab so wenig Haushaltsgeld, Dad.«
»Ich brauch ja nicht viel. Nur fünf Dollar.«
Davon konnte ich für zwei Tage Lebensmittel kaufen. Zwei Liter Milch, ein Brot, ein Dutzend Eier, zwei Dosen Räuchermakrelen, einen kleinen Beutel Äpfel und Popcorn. Und Dad erwies mir nicht mal die Ehre, so zu tun, als brauchte er das Geld für etwas Wichtiges. Er argumentierte auch nicht oder beschwatzte mich oder bettelte oder ließ seinen ganzen Charme spielen. Er wartete einfach, dass ich mit dem Geld rausrückte, als wüsste er genau, dass ich es nicht fertig bringen würde, Nein zu sagen. Und ich konnte es auch nicht. Ich nahm mein grünes Plastikportemonnaie und fischte einen zerknüllten Fünfer heraus, den ich ihm langsam reichte.
»Du bist ein Engel«, sagte Dad und gab mir einen Kuss.
Ich zog den Kopf zurück. Es stank mir, dass ich ihm das Geld gegeben hatte. Ich war sauer auf mich, aber noch saurer war ich auf Dad. Er wusste, dass ich, anders als Lori oder Brian, eine Schwäche für ihn hatte, und er zog seinen Vorteil daraus. Ich fühlte mich ausgenutzt. Die Mädchen in der Schule sprachen oft über Jungs, die ein Mädchen ausgenutzt hatten, und jetzt begriff ich zum ersten Mal richtig, was damit gemeint war.
Als Dad mich ein paar Tage später erneut um fünf Dollar bat, gab ich sie ihm. Mir wurde richtig schlecht bei dem Gedanken, dass mir jetzt zehn Dollar in der Haushaltskasse fehlten. Wieder ein paar Tage später wollte er zwanzig Dollar haben.
»Zwanzig Dollar?« Ich war fassungslos, dass Dad es so weit trieb. »Wieso zwanzig Dollar?«
»Verdammt, seit wann muss ich mich
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