Schloss aus Glas
das Genick brach und wo man einen Mann an der Kehle treffen musste, um ihn mit einem kraftvollen Schlag zu töten. Aber er beruhigte uns, dass wir uns nicht selbst verteidigen müssten, solange er bei uns war, denn, so schwor er, er würde jedem, der irgendeinem von Rex Walls' Kindern auch nur ein Haar krümmen wollte, so fest in den Hintern treten, dass man Dads Schuhgröße auf der Arschbacke ablesen könnte.
Und wenn Dad uns nicht von den unglaublichen Sachen erzählte, die er schon vollbracht hatte, dann erzählte er von den Sachen, die er noch vorhatte. Wie zum Beispiel das Glasschloss bauen. Sein ganzes handwerkliches Geschick und mathematisches Genie vereinigten sich zu einem einzigen besonderen Projekt - einem wunderbaren, großen Haus, das Dad in der Wüste für uns bauen würde. Es würde eine Glasdecke und dicke Glaswände und sogar ein Treppe aus Glas haben. Das Glasschloss würde obendrauf Solarzellen haben, die die Sonnenstrahlen auffangen und in Strom umwandeln würden, zum Heizen und Kühlen und für alle anderen Elektrogeräte. Es würde sogar eine eigene Kläranlage bekommen. Dad hatte die Baupläne und die meisten mathematischen Berechnungen schon fertig. Überall, wo wir hinfuhren, hatte er die Entwürfe für das Glasschloss dabei, und manchmal breitete er sie aus, und wir durften an den Plänen für unsere Zimmer arbeiten.
Jetzt müssten wir nur noch Gold finden, sagte Dad, und wir waren ganz knapp davor. Sobald er den Goldsucher fertig hatte und wir richtig reich geworden waren, würde er mit der Arbeit an unserem Glasschloss anfangen.
Dad tat sich schwer, von seinen Eltern zu erzählen oder von dem Ort, wo er zur Welt gekommen war, aber wir wussten, dass er aus einem Städtchen namens Welch in West Virginia stammte, wo es viel Kohlenbergbau gab. Sein Vater war bei der Eisenbahn gewesen und hatte Tag für Tag in einem kleinen Bahnhofshäuschen gesessen, wo er Nachrichten auf Blätter schrieb, die er dann an einem Stock für die durchfahrenden Lokomotivführer hochhielt. So ein Leben interessierte Dad nicht, deshalb verließ er Welch mit siebzehn und ging zur Air Force, um Pilot zu werden.
Eine von seinen Lieblingsgeschichten, die er uns bestimmt hundert Mal erzählt hat, war die, wie er Mom kennen lernte und sich in sie verliebte. Dad war in der Air Force, und Mom war in der United Service Organization, einer Betreuungsorganisation für amerikanische GIs, aber als sie sich kennen lernten, hatte sie Urlaub und besuchte gerade ihre Eltern, Grandpa und Grandma Smith, auf ihrer Viehranch am Fish Creek Canyon.
Dad und ein paar von seinen Air-Force-Kumpeln standen auf einer Klippe des Canyon und waren dabei, ihren ganzen Mut zusammenzunehmen, um zwölf Meter tief in den See zu springen, als Mom und eine Freundin angefahren kamen. Mom trug einen weißen Badeanzug, der ihre Figur und ihre von der Arizonasonne gebräunte Haut zur Geltung brachte. Sie hatte hellbraunes Haar, das im Sommer blond wurde, und sie trug nie irgendwelches Makeup außer dunkelrotem Lippenstift. Sie sah aus wie ein Filmstar, sagte Dad immer, aber verdammt, er war in seinem Leben schon vielen schönen Frauen begegnet, und bei keiner hatte er weiche Knie be-
kommen. Mom war etwas Besonderes. Er sah sofort, dass sie Mumm hatte, und er verliebte sich auf der Stelle in sie.
Mom ging zu den Soldaten und sagte, es sei nichts dabei, von der Klippe zu springen, sie hätte das schon als Kind getan. Die Männer glaubten ihr kein Wort, also trat Mom einfach an den Klippenrand und machte einen perfekten Kopfsprung ins Wasser.
Dad sprang gleich hinterher. So eine Klassebraut würde er sich doch nicht durch die Lappen gehen lassen.
»Was für einen Sprung hast du gemacht, Dad?«, fragte ich immer, wenn er die Geschichte erzählte.
»Einen Fallschirmsprung. Ohne Fallschirm«, antwortete er immer.
Dad schwamm hinter Mom her und sagte ihr noch im Wasser, dass er sie heiraten würde. Dreiundzwanzig Männer hätten ihr schon einen Heiratsantrag gemacht, entgegnete Mom, und sie habe jedes Mal Nein gesagt. »Wie kommst du darauf, dass ich deinen Antrag annehme?«, fragte sie.
»Ich hab dir keinen Antrag gemacht«, sagte Dad. »Ich hab gesagt, dass ich dich heiraten werde.«
Sechs Monate später heirateten sie. Für mich war das die romantischste Geschichte, die ich mir vorstellen konnte, aber Mom mochte sie nicht. Sie fand sie überhaupt nicht romantisch.
»Ich musste Ja sagen«, sagte Mom. »Mit einem Nein hätte euer Vater sich nicht
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