Schloss aus Glas
gedacht, du würdest mich hier zurücklassen«, sagte ich.
»Aber nein, das würde ich doch nie tun«, sagte er. »Dein Bruder wollte uns sagen, dass du rausgefallen bist, aber er hat so heftig geflennt, dass wir kein Wort verstanden haben.«
Dad fing an, mir Steinchen aus dem Gesicht zu pulen. Manche steckten richtig tief in der Haut, deshalb holte er eine spitze Pinzette aus dem Handschuhfach, um sie rauszubekommen. Als er alle Steinchen aus Wangen und Stirn entfernt hatte, nahm er sein Taschentuch und versuchte mein Nasenbluten zu stillen. Das Blut tröpfelte wie aus einem kaputten Wasserhahn. »Du liebes bisschen, Schätzchen«, sagte er. »Du hast dir den Rotzkoffer aber ziemlich übel zugerichtet.«
Ich musste schrecklich lachen. »Rotzkoffer« war das lustigste Wort für die Nase, das ich je gehört hatte. Nachdem Dad mich sauber gemacht hatte und ich wieder ins Auto gestiegen war, erzählte ich Brian und Lori und Mom von dem Wort, und auch sie bogen sich vor Lachen. Rotzkoffer. Einfach zum Schreien.
Wir lebten etwa einen Monat in las Vegas, in einem Motelzimmer mit dunkelroten Wänden und zwei schmalen Betten. Wir drei Kinder schliefen in dem einen, Mom und Dad in dem anderen. Tagsüber gingen wir in die Kasinos, wo Dad, wie er sagte, ein todsicheres System hatte, die Bank zu schlagen. Brian und ich spielten zwischen den klickenden Spielautomaten Verstecken und suchten die Auffangschalen nach vergessenen Vierteldollarmünzen ab, während Dad am Black-Jack-Tisch gewann. Ich blieb oft stehen und starrte die langbeinigen Showgirls an, die in engen Glitzerkostümen mit riesigen Federn an Kopf und Hintern über die Kasino-Bühne stolzierten. Als ich versuchte, ihren Gang nachzumachen, sagte Brian, ich sähe aus wie ein Strauß.
Gegen Abend, wenn Dad uns holen kam, hatte er die Taschen voller Geld. Er kaufte uns Cowboyhüte und Fransenwesten, und wir aßen panierte Steaks in Restaurants mit eiskalter Klimaanlage und kleinen Musikboxen an jedem einzelnen Tisch. Eines Abends, als Dad richtig viel gewonnen hatte, sagte er, jetzt könnten wir mal ordentlich auf den Putz hauen. Er ging mit uns in ein Restaurant, das Schwingtüren hatte wie ein Western-Saloon. Die Wände waren mit echten Goldgräberwerkzeugen geschmückt. Ein Mann mit Ärmelhaltern spielte Klavier, und eine Frau mit Handschuhen, die ihr bis zu den Ellbogen reichten, kam ständig angehastet, um Dad Zigaretten anzuzünden.
Dad sagte, dass er uns zum Nachtisch etwas ganz Besonderes bestellt hatte - eine brennende Eistorte. Ein Kellner rollte einen Servierwagen mit der Torte darauf an unseren Tisch, und die Frau mit den Handschuhen steckte sie mit einem Anzünder an. Alle hörten auf zu essen und schauten zu uns herüber. Die Flammen bewegten sich langsam wie Wasser und ringelten sich hoch wie Luftschlangen. Alle klatschten, und Dad sprang auf und hob die Hand des Kellners hoch, als hätte der gerade den ersten Preis gewonnen.
Wenige Tage später gingen Mom und Dad zum Black-Jack-Tisch und kamen schon kurz darauf wieder. Dad sagte, einer der Geber hätte gemerkt, dass Dad ein System hatte, und die anderen vor ihm gewarnt. Er meinte, es wäre mal wieder Zeit zu türmen.
Wir müssten möglichst weit weg von Las Vegas, sagte Dad, weil die Mafia, der die Kasinos gehörten, hinter ihm her war. Wir fuhren Richtung Westen durch die Wüste und dann durch die Berge. Mom sagte, wir sollten alle wenigstens ein Mal im Leben am Pazifischen Ozean leben, also fuhren wir immer weiter bis nach San Francisco.
Mom wollte nicht in eins von diesen Touristen-Abzockhotels am Fisherman's Wharf ziehen, die wären nicht authentisch, meinte sie, und hätten nichts mit dem wahren Leben der Stadt zu tun, also suchten wir uns eins, das mehr Atmosphäre hatte. Es lag im Stadtteil Tenderloin und zählte auch Matrosen und Frauen mit sehr viel Makeup zu seinen Gästen. Dad nannte das Hotel eine Absteige, aber Mom sagte, es wäre eine Pension, und als ich sie fragte, was das hieß, sagte sie, das wäre was für Dauergäste.
Während Mom und Dad loszogen, um Geld für den Goldsucher aufzutreiben, spielten wir Kinder im Hotel. Eines Tages fand ich eine halb volle Schachtel Streichhölzer. Ich war hin und weg, weil ich Holzstreichhölzer viel schöner fand als die weichen Dinger in den Streichholzbriefchen aus Pappe. Ich nahm die Schachtel mit aufs Zimmer und schloss mich auf der Toilette ein. Ich zog etwas Klopapier von der Rolle, zündete es an, und als es richtig brannte, warf ich
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