Schloss aus Glas
Der Goldsucher hatte eine große, glatte, schräge Oberfläche, etwa ein Meter zwanzig hoch und ein Meter achtzig breit. Auf die-
ser Fläche befanden sich in regelmäßigen Abständen waagerechte Holzleisten. Der Goldsucher konnte Erde und Steine aufnehmen und sie durch dieses Holzleistengitter sieben. Anhand des Gewichts konnte er feststellen, ob ein Stein aus Gold war oder nicht. Er würde alles Wertlose rausschmeißen und die Goldnuggets auf einen Haufen schichten, und immer wenn wir was einkaufen wollten, würden wir uns einfach ein Nugget nehmen. Zumindest würde der Goldsucher das können, sobald Dad ihn fertig gebaut hatte.
Brian und ich durften ihm bei der Arbeit daran helfen. Das hieß, wir hielten die Nägel fest, wenn Dad sie einschlug. Manchmal durfte ich die ersten Hammerschläge machen, und dann trieb er den Nagel mit einem einzigen festen Schlag ins Holz. Die Luft war erfüllt von Sägemehl, dem Duft von frisch gesägtem Holz, dem Geräusch des Hammers und von Dads Pfeifen; er pfiff immer bei der Arbeit.
Für mich war Dad vollkommen, außer manchmal, wenn er sein Alkoholproblem hatte, wie Mom es nannte. Dad hatte seine »Bierphasen«, aber damit kamen wir alle ganz gut klar. Dann fuhr er zu schnell Auto und sang aus vollem Halse, die Haare fielen ihm ins Gesicht, und das Leben war ein bisschen beängstigend, aber immer noch lustig. Doch wenn Dad eine Flasche von dem »harten Zeug«, wie Mom sagte, hervorholte, dann wurde sie ein bisschen nervös, denn wenn Dad sich eine Weile mit der Flasche beschäftigt hatte, verwandelte er sich in einen wütend blickenden Fremden, der herumbrüllte, Möbel durch die Gegend schmiss und nicht nur Mom mit Prügel drohte, sondern jedem, der ihm in die Quere kam. Wenn er dann vom Fluchen und Toben und Sachen-Zerschlagen genug hatte, kippte er um. Aber Dad trank nur dann Hochprozentiges, wenn wir Geld hatten - was nicht oft der Fall war -, deshalb verlief das Leben damals meist friedlich.
Jeden Abend vor dem Einschlafen erzählte Dad Lori, Brian und mir eine Gutenachtgeschichte. Sie handelte immer von ihm. Wir lagen in unseren Betten oder unter Decken in der Wüste, und die Welt war düster bis auf das orangerote Glühen seiner Zigarette. Wenn er einen tiefen Zug nahm, leuchtete sie gerade so hell auf, dass wir sein Gesicht
sehen konnten.
»Erzähl uns eine Geschichte von dir, Dad!«, bettelten wir.
»Ach was, ihr wollt doch bestimmt nicht schon wieder eine Geschichte über mich hören«, sagte er dann.
»Doch, wollen wir wohl! Wollen wir wohl!«, beteuerten wir.
»Na gut«, sagte er. Dann hielt er meistens inne und lachte leise, weil ihm irgendwas einfiel. »Euer alter Herr hat ja schon viele tolldreiste Sachen angestellt, aber das, was ich euch jetzt erzähle, war selbst für einen so durchgeknallten Hund wie Rex Walls ein starkes Stück.«
Und dann erzählte er uns, wie er mal, als er in der Air Force war und der Motor von seinem Flugzeug ausfiel, auf einer Viehweide notgelandet war und dadurch sich und seine Crew gerettet hatte. Oder wie er es mit einem Rudel Wildhunde aufgenommen hatte, das einen lahmenden Mustang umzingelt hatte. Und dann war da noch die Geschichte, wie er ein kaputtes Schleusentor am Hoover-Damm repariert und damit Tausende von Menschen gerettet hatte, die ertrunken wären, wenn der Damm gebrochen wäre. Und die, wie er sich in der Air Force unerlaubt von der Truppe entfernt hatte, um ein Bier zu trinken, und in der Kneipe einen Irren erwischte, der vorhatte, den Luftwaffenstützpunkt in die Luft zu sprengen; was mal wieder zeigte, dass es sich manchmal auszahlte, die Regeln zu brechen.
Dad war ein sehr dramatischer Geschichtenerzähler. Er fing immer ganz langsam an, mit vielen Pausen. »Erzähl weiter! Was ist dann passiert?«, fragten wir, auch wenn wir die Geschichte schon kannten. Mom kicherte ein bisschen und verdrehte die Augen, wenn Dad seine Geschichten erzählte, und er blickte sie strafend an. Wenn jemand ihn unterbrach, wurde er richtig ärgerlich, und wir mussten ihn anbetteln, damit er weitererzählte, und versprechen, dass ihn keiner mehr unterbrechen würde.
Dad war stets ein besserer Kämpfer, ein schnellerer Flieger und clevererer Pokerspieler als alle anderen in seinen Geschichten. Und ganz nebenbei rettete er Frauen und Kinder und sogar Männer, die nicht so stark und schlau waren wie er. Dad weihte uns in die Geheimnisse seiner Heldentaten ein -er zeigte uns, wie man sich rittlings auf einen Wildhund setzte und ihm
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