Schloss aus Glas
Ausschau.
Hin und wieder wohnten wir eine Weile bei Grandma Smith, Moms Mom, die in einem großen weißen Haus in Phoenix lebte. Grandma Smith war ein westtexanisches Urgestein, sie tanzte und fluchte gern und liebte Pferde über alles. Sie war bekannt dafür, dass sie die wildesten Wildpferde einreiten konnte, und hatte auf Grandpas Ranch mitgeholfen, oben am Fish Creek Canyon in Arizona, westlich von Bullhead City, nicht allzu weit vom Grand Canyon. Ich fand Grandma Smith toll. Aber nach ein paar Wochen kriegten sie und mein Dad sich immer schrecklich in die Haare. Auslöser konnte sein, dass Mom erwähnte, wie knapp wir mit Geld waren. Dann machte Grandma eine abfällige Bemerkung darüber, dass Dad nicht arbeitete. Und dann sagte Dad irgendwas über selbstsüchtige alte Weiber, die mehr Geld hatten, als sie je würden ausgeben können, und in null Komma nichts trugen sie den reinsten Schimpfwettstreit aus.
»Du verkommener Saufbold!«, schrie Grandma dann.
»Du gottverdammtes, hartherziges Miststück!«, brüllte Dad zurück.
»Du nutzloser, armseliger Schlappschwanz!«
»Du niederträchtige, Unglück bringende Kastrationshexe!«
Dads Wortschatz war kreativer, aber Grandma Smith konnte lauter brüllen als er. Außerdem hatte sie Heimvorteil, und irgendwann reichte es Dad, und er befahl uns Kindern, ins Auto zu steigen. Grandma schrie dann Mom an, sie solle nicht zulassen, dass dieser faule Pferdearsch ihre Enkelkinder mitnahm. Mom zuckte daraufhin die Achseln und sagte, dagegen könne sie nichts machen, er sei ihr Mann. Und schon waren wir wieder unterwegs und fuhren hinaus in die Wüste auf der Suche nach einem weiteren Haus, das in einem weiteren kleinen Bergarbeiterstädtchen zu vermieten war.
Manche von den Leuten, die in diesen Städtchen wohnten, lebten schon seit Jahren dort. Andere waren ungebunden wie wir - nur auf der Durchreise. Es waren Spieler oder Exknackis oder Kriegsveteranen oder lose Frauen, wie Mom sie bezeichnete. Es gab alte Goldsucher mit runzligen Gesichtern, sonnengegerbt wie vertrocknete Äpfel. Die Kinder waren mager und abgehärtet, mit Schwielen an Händen und Füßen. Wir freundeten uns mit ihnen an, aber nicht sehr eng, weil wir wussten, dass wir früher oder später weiterziehen würden.
Manchmal wurden wir in der Schule angemeldet, aber nicht immer. Meistens gaben Mom und Dad uns Unterricht. Dank Mom konnten wir alle schon mit fünf Jahren Bücher ohne Bilder lesen, und Dad brachte uns Mathe bei. Er brachte uns auch die Sachen bei, die wirklich wichtig und nützlich waren, zum Beispiel Morsen und dass man niemals die Leber von einem Eisbären essen sollte, weil das viele Vitamin A einen umbringen könnte. Er zeigte uns, wie man mit seiner Pistole zielte und feuerte, wie man mit Moms Pfeil und Bogen schoss und wie man ein Messer an der Klinge fasste und es so warf, dass es mit einem satten Tschwock mitten im Ziel stecken blieb. Als ich vier Jahre alt war, konnte ich schon ziemlich gut mit Dads Pistole umgehen, einem sechsschüssigen Revolver: Auf dreißig Schritt Entfernung traf ich fünf von sechs Bierflaschen. Ich hielt die Waffe mit beiden Händen, zielte über den Lauf und zog langsam und gleichmäßig am Abzug, bis der Revolver mit einem lauten Knall nach oben schnellte und die Flasche zerplatzte. Das war lustig. Dad meinte, meine Künste als Scharfschützin würden uns zugute kommen, falls das FBI uns je umzingeln sollte.
Mom war in der Wüste aufgewachsen. Sie liebte die trockene, knisternde Hitze, den Himmel, der bei Sonnenuntergang aussah wie ein brennendes Laken, und die überwältigende Leere und Rauheit des weiten Landes, das einmal ein riesiges Ozeanbett gewesen war. Den meisten Menschen fiel es schwer, in der Wüste zu überleben, doch Mom blühte regelrecht auf. Sie wusste, wie man sich mit so gut wie nichts durchschlug. Sie zeigte uns, welche Pflanzen essbar waren und welche giftig. Sie konnte Wasser finden, wenn kein anderer es konnte, und sie wusste, mit wie wenig man wirklich auskam. Sie brachte uns bei, dass man sich mit nur einer Tasse Wasser einigermaßen sauber waschen kann. Sie sagte, es täte uns gut, ungereinigtes Wasser zu trinken, sogar Abwasser, vorausgesetzt, die Tiere tränken davon. Das mit Chlor versetzte Wasser in den Städten wäre was für Weicheier, sagte sie. Wasser aus der Natur würde dafür sorgen, Antikörper aufzubauen. Auch Zahncreme war ihrer Meinung nach was für Weicheier. Vor dem Schlafengehen schütteten wir ein bisschen
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