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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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zu rennen. Ich rannte immer schneller, die Old Road entlang, unter den kahlen Bäumen hindurch, dann zum Grand View und die Little Hobart Street hoch, vorbei an den bellenden Hofhunden und den mit Frost überzogenen Kohlenhaufen, vorbei am Haus der Noes und dem Haus der Scrotskys, dem Haus der Halls und dem Haus der Renkos, bis ich keuchend wie ein erschöpftes Rennpferd vor unserem Haus stehen blieb. Zum ersten Mal seit Jahren bemerkte ich wieder den halb fertigen gelben Anstrich. Ich hatte so viel Zeit und Mühe investiert, uns das Leben in Welch etwas zu verschönern, aber nichts hatte funktioniert.
    Der Zustand unseres Hauses verschlimmerte sich immer mehr. Einer der Stützpfeiler hatte sich leicht verzogen. Die
    undichte Stelle im Dach über Brians Bett hatte sich deutlich vergrößert; bei Regen schlief Brian jetzt unter einem Schlauchboot, das Mom bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte - sie hatte hundert Benson-&-Hedges-Packungen eingeschickt, die wir aus Mülleimern gefischt hatten. Wenn ich nicht mehr da war, könnte Brian mein Bett haben. Meine Entscheidung stand fest. Ich würde nach New York gehen, sobald das Schuljahr zu Ende war.
    Ich stieg am Hang hoch zur Rückseite des Hauses - die Treppe war inzwischen völlig morsch - und kletterte durch das hintere Fenster, das wir als Tür benutzten. Dad saß am Zeichentisch und machte irgendwelche Berechnungen, Mom sah ihre Bilderstapel durch. Als ich ihnen von meinem New-York-Plan erzählte, drückte Dad seine Zigarette aus, stand auf und kletterte ohne ein Wort durch das Fenster nach draußen. Mom nickte und senkte den Blick, staubte dann eins ihrer Bilder ab und murmelte irgendwas vor sich hin.
    »Und, was sagst du dazu?«
    »Schön. Geh ruhig.«
    »Was ist los?«
    »Nichts. Du solltest das wirklich machen. Ein guter Plan.«
    Sie schien den Tränen nahe.
    »Sei nicht traurig, Mom. Ich schreibe auch.«
    »Ich bin nicht traurig, weil du mir fehlen wirst«, sagte Mom. »Ich bin traurig, weil du nach New York kannst und ich hier festsitze. Das ist nicht fair.«
    Ich rief Lori an, und sie unterstützte meinen Plan. Ich könnte bei ihr wohnen, sagte sie, wenn ich jobben ging und was zu der Miete dazugab. Auch Brian fand meinen Plan gut, erst recht, als ich sagte, er könne mein Bett haben. Er machte mit näselnder Stimme Witze darüber, dass ich bald eine von diesen New Yorkerinnen werden würde, die sich in Pelze hüllten, den kleinen Finger abspreizten und die Nase hochtrugen. Er fing an, die Wochen zu zählen, bis ich ging, genau wie ich es bei Lori getan hatte. »In sechzehn Wochen bist du in
    New York«, sagte er zum Beispiel. Und in der Woche darauf: »In drei Monaten und drei Wochen bist du in New York.«
    Dad sprach kaum noch ein Wort mit mir, seit ich meine Entscheidung verkündet hatte. Dann, an einem Abend im Frühling, kam er in unser Zimmer, wo ich im Bett lag und lernte. Er hatte ein paar zusammengerollte Bögen Papier unter dem Arm.
    »Hast du eine Sekunde Zeit?«, fragte er. »Ich will dir was zeigen.«
    »Klar.«
    Ich folgte ihm ins Wohnzimmer, wo er die Blattei auf dem Zeichenbrett ausbreitete. Es waren seine alten Entwürfe für das Schloss aus Glas, voller Flecken und mit Eselsohren. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich sie zuletzt gesehen hatte. Seit das Fundament, das wir ausgehoben hatten, zur Müllgrube gemacht worden war, hatten wir das Schloss nicht ein einziges Mal erwähnt.
    »Ich glaube, ich hab endlich eine Lösung für das fehlende Sonnenlicht am Hang gefunden«, sagte Dad. Er wollte in die Solarzellen speziell gebogene Spiegel einbauen. Aber vor allen Dingen wollte er mit mir über mein Zimmer sprechen. »Jetzt, wo Lori nicht mehr da ist«, sagte er, »habe ich den Grundriss überarbeitet, und dein Zimmer wird erheblich größer.«
    Dads Hände zitterten leicht, als er diverse Entwürfe entrollte. Er hatte Frontalansichten, Seitenansichten und Luftansichten vom Glasschloss gezeichnet. Er hatte Graphiken über den Verlauf von Stromkabeln und Wasserleitungen angefertigt. Er hatte die Zimmer von innen gezeichnet und sie gekennzeichnet und die jeweilige Größe bis auf den Zentimeter genau in seiner akkuraten, kantigen Handschrift notiert.
    Ich blickte auf die Pläne.
    »Dad«, sagte ich, »du wirst das Schloss aus Glas niemals bauen.«
    »Soll das heißen, du hast kein Vertrauen in deinen alten Herrn?«
    »Selbst wenn, ich werde nicht mehr da sein. In knapp drei Monaten gehe ich nach New York.«
    »Ich hab nur gedacht, du musst

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