Schloss aus Glas
es ins Klo. Ich quälte das Feuer, schenkte ihm Leben und blies ihm das Lebenslicht gleich wieder aus. Dann hatte ich eine bessere Idee. Ich häufte Klopapier in der Toilette auf, zündete es an, und wenn es brannte und die Flammen jäh und lautlos aus der Schüssel hochloderten, spülte ich das Feuer die Toilette runter.
Wenige Tage später wurde ich nachts plötzlich wach. Die Luft war heiß und stickig. Ich roch Rauch und sah Flammen am offenen Fenster züngeln. Zuerst wusste ich nicht, ob das Feuer drinnen oder draußen war, aber dann sah ich, dass einer der Vorhänge nur einen halben Meter vom Bett entfernt lichterloh brannte.
Mom und Dad waren nicht im Zimmer, und Lori und Brian schliefen tief und fest. Ich wollte schreien und sie warnen, aber es drang kein Laut aus meiner Kehle. Ich wollte hinübergreifen und sie wachrütteln, aber ich konnte mich nicht bewegen. Das Feuer wurde größer, stärker und wütender.
Und dann flog die Tür auf. Jemand rief unsere Namen. Es war Dad. Lori und Brian wachten auf und liefen hustend zu ihm. Ich konnte mich noch immer nicht bewegen. Ich starrte auf das Feuer, rechnete jeden Moment damit, dass meine Decke in Flammen aufging. Dad packte die Decke, wickelte sie um mich und lief die Treppe hinunter. Mit einem Arm dirigierte er Lori und Brian, mich trug er auf dem anderen.
Dad brachte uns Kinder über die Straße in eine Bar und lief dann zurück, um beim Löschen des Feuers zu helfen. Eine Kellnerin mit roten Fingernägeln und blauschwarzem Haar fragte, ob wir eine Cola oder sogar, was soll's, ein Bier haben wollten, schließlich hatten wir in der Nacht einiges durchgemacht. Brian und Lori sagten, ja, bitte eine Cola. Ich fragte, ob ich vielleicht bitte ein Glas Shirley Temple haben könnte. Das war ein Cocktail aus Ginger Ale und Sirup, den Dad mir immer spendierte, wenn er mich mit in eine Bar nahm. Aus irgendeinem Grund lachte die Kellnerin.
Die Leute in der Bar machten laufend witzige Bemerkungen über Frauen, die nackt aus dem brennenden Hotel gerannt kamen. Ich hatte nur meine Unterwäsche an, deshalb hielt ich die Decke fest um mich gewickelt. Nachdem ich meinen Shirley Temple ausgetrunken hatte, wollte ich über
die Straße gehen, um mir das Feuer aus der Nähe anzusehen, aber die Kellnerin ließ mich nicht, deshalb kletterte ich auf einen Barhocker und schaute durchs Fenster zu. Inzwischen war die Feuerwehr gekommen. Blaulicht blitzte, und Männer in schwarzen Gummijacken hielten Stoffschläuche, aus denen dicke Wasserstrahlen schossen.
Ich fragte mich, ob das Feuer es auf mich abgesehen hatte. Ich fragte mich, ob alle Feuer miteinander verwandt waren, so wie Dad sagte, dass alle Menschen verwandt waren. Ob das Feuer, von dem ich die Narben hatte, irgendwie mit dem Feuer verbunden war, das ich im Klo runtergespült hatte, und mit dem Feuer, das jetzt im Hotel brannte. Ich hatte keine Antwort auf meine Fragen, ich wusste nur, dass ich in einer Welt lebte, die jeden Augenblick in Flammen aufgehen konnte. Ein solches Wissen hält dich auf Trab.
Nachdem das Hotel abgebrannt war, lebten wir ein paar Tage am Strand. Wenn wir die Rückbank der Grünen Kombüse umklappten, war für uns alle genug Platz zum Schlafen, obwohl ich manchmal irgendwelche Füße ins Gesicht bekam. Eines Nachts klopfte ein Polizist an unser Fenster und sagte, wir müssten weiterfahren, es wäre verboten, am Strand zu schlafen. Er war nett und sprach uns mit »Leute« an, und er malte uns sogar eine Stelle auf, wo wir schlafen konnten, ohne verhaftet zu werden.
Aber als er weg war, nannte Dad ihn Gestapo-Schwein und sagte, Leute wie der würden sich daran aufgeilen, Leute wie uns zu schikanieren. Dad hatte die Nase voll von der Zivilisation. Er und Mom beschlossen, zurück in die Wüste zu gehen und auch ohne unser Startgeld weiter nach Gold zu suchen. »Großstädte bringen dich um«, sagte Dad.
Wir brachen unsere Zelte in San Francisco ab und fuhren in die Mojave-Wüste. In der Nähe der Eagle Mountains sagte Mom, Dad solle anhalten. Ein Stück von der Straße entfernt war ihr ein Baum aufgefallen.
Es war nicht bloß irgendein Baum. Es war ein alter Joshua-Baum. Er stand in einer Bodenfalte, wo die Wüste aufhörte und das Gebirge anfing, sodass eine Art Windtunnel entstanden war. Seit dieser Joshua-Baum ein kleiner Schössling gewesen war, hatte ihn der peitschende Wind so niedergedrückt, dass er nicht himmelwärts gewachsen war, sondern in die Richtung, in die der Wind ihn gedrückt
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