Schloss aus Glas
der keine Angst vor ihm hatte. »Der blöde alte Dämon verstand die Welt nicht mehr«, sagte Dad und schüttelte leise lachend den Kopf. Das müsse man sich bei allen Monstern merken, sagte Dad, sie jagen den Menschen gern Angst ein, aber sobald man sich ihnen entgegenstellt, nehmen sie die Beine in die Hand. »Du musst dem alten Dämon bloß zeigen, dass du keine Angst hast, Bergziege, mehr nicht.«
In der Umgebung von Midland wuchs nicht viel außer dem Joshua-Baum, Kakteen und den struppigen Kreosot-Büschen, die zu den ältesten Pflanzen auf der Erde gehörten, sagte Dad. Die Urgroßvater-Kreosot-Büsche waren Abertausende von Jahren alt, erklärte er uns. Wenn es regnete, sonderten sie einen ekligen, modrigen Geruch ab, damit die Tiere sie nicht fraßen. Pro Jahr fielen in Midland bloß zehn Zentimeter Regen - ungefähr so viel wie in der Nordsahara, sagte Dad -, und das Wasser für die Menschen wurde einmal täglich mit dem Zug in Spezialcontainern geliefert. Die einzigen Wesen, die in der Gegend überleben konnten, waren lippenlose, schuppige Kreaturen wie Gila-Krustenechsen und Skorpione, und Menschen wie wir.
Einen Monat nach unserer Ankunft in Midland wurde Juju von einer Klapperschlange gebissen und starb. Wir beerdigten ihn in der Nähe des Joshua-Baums. Es war praktisch das einzige Mal, dass ich Brian weinen sah. Aber wir hatten jede Menge Katzen, die uns Gesellschaft leisteten. Sogar zu viele. Wir hatten etliche Katzen gerettet, seit wir Quixote aus dem Auto geworfen hatten, und die meisten hatten dann irgendwann Junge bekommen, und schließlich war es so weit, dass wir einige von ihnen loswerden müssten. Wir hatten nicht viele Nachbarn, denen wir eine schenken konnten, also sah Dad keine andere Möglichkeit, als sie in einem Teich, den die Bergbaufirma als Kühlwasserreservoir für ihre Maschinen angelegt hatte, zu ertränken. Ich sah zu, wie er den Kofferraum mit hüpfenden, miauenden Säcken füllte.
»Ich finde es gemein«, sagte ich zu Mom. »Wir haben sie gerettet. Und jetzt töten wir sie.«
»Wir haben ihnen doch ein bisschen mehr Zeit auf diesem Planeten geschenkt«, sagte Mom. »Dafür sollten sie dankbar sein.«
Dad bekam schließlich einen Job im Gipsbergwerk. Dort wurden weiße Steine ausgegraben und zu dem Pulver zermahlen, das zur Herstellung von Rigipsplatten und Gipsmörtel verwendet wird. Wenn er nach Hause kam, war er über und über mit weißem Gipsstaub bedeckt, und manchmal spielten wir Gespenst, und er jagte uns herum. Er brachte auch Säcke voll Gips mit, und Mom rührte den Gips mit Wasser an und machte mit Hilfe einer Gummiform, die sie per Post bestellt hatte, Venus-von-Milo-Skulpturen. Es bekümmerte Mom, dass das weiße Gestein abgebaut wurde - sie sagte, es wäre eigentlich Marmor und hätte ein besseres Schicksal verdient. Doch mit ihren Skulpturen machte sie zumindest einen kleinen Teil davon unsterblich.
Mom war schwanger. Alle hofften, dass es ein Junge würde, damit Brian einen Spielkameraden bekäme. Dad plante, mit uns nach Blythe zu fahren, wenn es so weit war. Das lag zwanzig Meilen südlich und war ein größerer Ort mit zwei Kinos und zwei Staatsgefängnissen.
Bis dahin widmete sich Mom ganz ihrer Kunst. Den ganzen Tag über beschäftigte sie sich mit Ölbildern, Aquarellen, Kohlezeichnungen, Bleistift- und Tuscheskizzen, Ton- und Drahtskulpturen, Seidenmalereien und Holzblöcken. Sie hatte keinen speziellen Stil. Manche Gemälde waren primitiv, wie sie sagte, manche waren impressionistisch und abstrakt, manche wiederum realistisch. »Ich will in keine Schublade gesteckt werden«, sagte sie gern. Mom war außerdem Schriftstellerin und schrieb immer munter auf ihrer Schreibmaschine an Romanen, Kurzgeschichten, Theaterstücken, Gedichten, Märchen und Kinderbüchern, die sie selbst illustrierte. Moms Werke waren sehr kreativ. Ihre Rechtschreibung ebenfalls. Sie brauchte stets einen Korrekturleser, und als Lori gerade mal sieben Jahre alt war, ging sie Moms Manuskripte durch und verbesserte die Fehler.
Während unserer Zeit in Midland malte Mom unentwegt Variationen und Studien von dem Joshua-Baum. Manchmal begleiteten wir sie, und sie gab uns Kunstunterricht. Einmal
entdeckte ich einen winzig kleinen Joshua-Baum-Schössling, der nicht weit von dem alten Baum wuchs. Ich wollte ihn ausgraben und bei unserem Haus wieder einpflanzen. Ich sagte Mom, ich wollte ihn vor dem Wind schützen und jeden Tag gießen, damit er schön und groß und gerade wuchs.
Mom
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