Schloss aus Glas
hatte. Nun war er für immer windgebeugt, neigte sich tief, dass es aussah, als würde er gleich umstürzen, obwohl er in Wahrheit sicher von seinen Wurzeln gehalten wurde.
Ich fand den Joshua-Baum hässlich. Er sah knochig und irgendwie irre aus, für alle Zeit in dieser verdrehten, gequälten Haltung erstarrt, und ich musste daran denken, dass Erwachsene manchmal zu Kindern sagen, sie sollen keine Fratzen schneiden, weil die Grimassen stehen bleiben könnten. Für Mom war es jedoch einer der schönsten Bäume, die sie je gesehen hatte, und sie sagte, sie müsste ihn einfach malen. Während sie ihre Staffelei aufstellte, fuhr Dad ein Stück weiter, um sich ein bisschen in der Gegend umzusehen. Er fand ein paar ausgedörrte kleine Häuser, Wohnwagen, die allmählich im Sand einsackten, und Hütten mit verrosteten Blechdächern. An einem hing ein »ZU-VERMIETEN«-Schild. »Was soll's«, sagte Dad, »hier ist es genauso gut wie irgendwo anders.«
Das Haus, das wir mieteten, gehörte einer Bergbaufirma. Es war weiß und hatte zwei Zimmer und ein durchhängendes Dach. Es gab keine Bäume, und der Wüstensand ging bis an die Hintertür. Nachts konnte man die Kojoten heulen hören.
In der ersten Zeit in Midland, wenn ich wegen der Kojoten nicht schlafen konnte, hörte ich auch noch andere Geräusche: Gila-Krustenechsen, die im Gebüsch raschelten, Motten, die gegen die Fliegengitter prallten, und Kreosot-Büsche, die im Wind raschelten. Eines Nachts, als das Licht aus war und ich die Mondsichel durchs Fenster sehen konnte, hörte ich ein schlängelndes Geräusch auf dem Boden.
»Ich glaube, unterm Bett ist was«, sagte ich zu Lori.
»Das bildest du dir mit deiner blühenden Fantasie bloß ein«, sagte Lori. Sie sprach wie eine Erwachsene, wenn sie genervt war.
Ich versuchte mutig zu sein, aber ich hatte wirklich was gehört, und dann meinte ich im Mondlicht zu sehen, wie es sich bewegte.
»Da ist was«, flüsterte ich.
»Schlaf endlich«, sagte Lori.
Ich hielt mir schützend das Kopfkissen über den Kopf und lief ins Wohnzimmer, wo Dad saß und las. »Was ist, Bergziege?«, fragte er. Er nannte mich so, weil ich nie hinfiel, wenn wir eine Bergtour machten - sicher auf den Beinen wie eine Bergziege, sagte er immer.
»Wahrscheinlich nichts«, sagte ich. »Ich hab nur gedacht, ich hätte im Schlafzimmer was gesehen.« Dad zog die Augenbrauen hoch. »Aber das hab ich mir mit meiner blühenden Fantasie wahrscheinlich bloß eingebildet.«
»Hast du es gut sehen können?«, fragte er.
»Nicht so richtig.«
»Du hast es bestimmt gesehen. War es ein großes, hässliches Mistviech mit grässlichen Zähnen und Klauen?«
»Genau!«
»Und hatte es spitze Zähne und böse Augen mit Feuer drin, und hat es dich irgendwie bösartig angeglotzt?«, fragte er.
»Ja! Ja! Hast du's auch gesehen?«
»Und ob. Das ist der alte, üble Widerling von Dämon.«
Dad sagte, er wäre schon seit Jahren auf der Jagd nach dem Dämon. Mittlerweile, so Dad, hatte der alte Dämon kapiert, dass er sich besser nicht mit Rex Walls anlegte. Aber wenn dieser gerissene Saukerl meinte, er könnte Rex Walls' kleine Tochter in Angst und Schrecken versetzen, dann sollte er sich auf was gefasst machen. »Hol mir mal mein Jagdmesser«, sagte Dad.
Ich holte Dads Messer mit dem geschnitzten Horngriff und der Klinge aus bläulichem Stahl, dann gab er mir eine Rohrzange, und wir machten uns auf die Suche nach dem Dämon. Wir schauten unter meinem Bett nach, aber er war verschwunden. Wir schauten im ganzen Haus nach: unter dem Tisch, in den dunklen Schrankecken, in der Werkzeugkiste und sogar draußen in den Mülltonnen.
»Komm her, du dämlicher alter Dämon!«, rief Dad in die Wüstennacht hinein. »Komm raus und zeig uns dein jämmerliches, potthässliches Gesicht, du gelbbauchiges Monster!«
»Ja, komm doch, du alter gemeiner Dämon!«, sagte ich und schwenkte die Rohrzange durch die Luft. »Wir haben keine Angst vor dir!«
Nur die Kojoten waren in der Ferne zu hören. »Das ist mal wieder typisch für diesen Hosenscheißer von Dämon«, sagte Dad. Er setzte sich auf die Stufe vor die Haustür und steckte sich eine Zigarette an, und dann erzählte er mir die Geschichte, wie er einmal ganz allein gegen den Dämon gekämpft hatte, als der eine gesamte Stadt terrorisiert hatte. Dad hatte ihm in die Ohren gebissen und ihm die Finger in die Augen gestoßen. Der alte Dämon war entsetzt gewesen, denn zum ersten Mal hatte er es mit jemandem zu tun gekriegt,
Weitere Kostenlose Bücher