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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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unterhalten.
    Das Krankenhaus war sauber und blitzblank. Alles war weiß - die Wände und Laken und Schwesterntrachten - oder silbern: die Betten und Tabletts und medizinischen Instrumente. Alle sprachen mit höflicher, ruhiger Stimme. Es war so leise, dass man die Gummisohlen der Schwesternschuhe über den ganzen Gang hinweg quietschen hörte. Ich war Ruhe und Ordnung nicht gewohnt, und es gefiel mir.
    Mir gefiel auch, dass ich ein eigenes Zimmer hatte. Im Wohnwagen musste ich mir nämlich eins mit meinem Bruder und meiner Schwester teilen. Mein Krankenhauszimmer hatte sogar oben an der Wand einen Fernseher. Zu Hause hatten wir keinen Fernseher, also kuckte ich viel fern. Am liebsten Red Buttons und Lucille Ball.
    Die Schwestern und Ärzte fragten mich dauernd, wie ich mich fühlte und ob ich Hunger hätte oder irgendwas brauchte. Dreimal am Tag brachten mir die Schwestern leckeres Essen mit Obstsalat oder Wackelpudding zum Nachtisch, und sie wechselten die Bettwäsche sogar schon, wenn sie noch ganz sauber aussah. Manchmal las ich ihnen was vor, und sie sagten, ich wäre sehr schlau und könnte so gut lesen wie eine Sechsjährige.
    Einmal kaute eine Krankenschwester mit welligem gelbem Haar und blauem Augen-Make-up auf irgendwas. Ich fragte sie, was sie da im Mund hätte, und sie sagte, Kaugummi. Ich hatte noch nie etwas von Kaugummi gehört, deshalb ging sie los und kaufte mir eine ganze Packung. Ich zog einen Streifen heraus, machte das weiße Papier und die glänzende Silberfolie darunter ab und betrachtete den pudrigen, kittfarbenen Gummi. Ich schob ihn in den Mund und war überwältigt von der würzigen Süße. »Das schmeckt aber gut!«, sagte ich.
    »Dann kau schön - aber nicht runterschlucken«, sagte die Schwester lachend. Sie strahlte übers ganze Gesicht und holte die anderen Schwestern, damit sie miterleben konnten, wie ich den ersten Kaugummi meines Lebens kaute. Als sie mir das Mittagessen brachte, sagte sie, ich müsse den Kaugummi aus dem Mund nehmen, aber ich könne nach dem Essen einen neuen nehmen, und wenn die ganze Packung alle wäre, würde sie mir eine neue kaufen. Das war das Tolle am Krankenhaus. Man musste keine Angst haben, dass man nichts mehr zu essen oder kein Eis oder Kaugummi bekam. Ich wäre furchtbar gern für immer im Krankenhaus geblieben.
    Wenn meine Familie mich besuchen kam, dann hallten ihre Streitereien und ihr Lachen und Singen und Rufen durch die stillen Gänge. Die Krankenschwestern machten zischende Geräusche, und Mom und Dad und Lori und Brian waren ein Weilchen leise, und dann wurden sie allmählich wieder laut. Immer drehten sich alle nach Dad um und starrten ihm hinterher. Ich wusste nicht, ob es damit zu tun hatte, dass er so gut aussah oder dass er die Leute »Kumpel« und »Partner« nannte und beim Lachen den Kopf in den Nacken warf.
    Eines Tages beugte sich Dad über mein Bett und fragte, ob die Schwestern und Ärzte auch nett zu mir wären. Wenn nicht, sagte er, würde er hier mal ordentlich auf den Tisch hauen. Als ich erwiderte, dass alle lieb und freundlich zu mir waren, sagte er: »Kein Wunder. Schließlich wissen sie, dass du die Tochter von Rex Walls bist.«
    Als Mom sich erkundigte, was die Ärzte und Schwestern denn Nettes machten, erzählte ich ihr von dem Kaugummi.
    »Igitt«, sagte sie. Sie war gegen Kaugummikauen, erklärte sie. Es sei eine widerliche Angewohnheit der Unterschicht, und die Schwester hätte sie fragen sollen, ehe sie mir etwas so Vulgäres beibrachte. Sie sagte, sie würde der Frau ordentlich die Meinung geigen. »Schließlich bin ich deine Mutter«, sagte Mom, »und für deine Erziehung zuständig.«
    »Vermisst du mich?«, fragte ich meine Schwester Lori, als sie mich besuchten.
    »Nicht so richtig«, sagte sie. »Es ist immer so viel los.«
    »Was denn?«
    »Bloß das Übliche.«
    »Auch wenn Lori dich nicht vermisst, Schätzchen«, sagte Dad. »Ich vermisse dich sehr. Du solltest nicht hier in diesem aseptischen Laden sein.«
    Er setzte sich auf mein Bett und fing an, mir die Geschichte zu erzählen, wie Lori mal von einem giftigen Skorpion gebissen worden war. Ich hatte sie schon x-mal gehört, aber ich konnte nicht genug davon kriegen. Mom und Dad waren auf Erkundungstour in der Wüste, als Lori, die damals vier war, einen Stein umdrehte und der Skorpion, der sich darunter versteckt hatte, sie ins Bein biss. Sie hatte Krämpfe bekommen, und ihr Körper war ganz steif und schweißnass geworden. Aber Dad hatte kein Vertrauen in

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