Schloss aus Glas
ihr einen Gefallen getan, weil Bäume heidnische Kultsymbole seien.
Als das Feuer gelöscht war und der nasse, verbrannte Baum qualmend auf dem Boden lag, standen wir alle einfach nur da. Keiner ging Dad an die Gurgel oder schrie ihn an oder warf ihm vor, dass er das Weihnachtsfest zerstört hatte, das seine Familie wochenlang geplant hatte - das Weihnachtsfest, das doch das schönste werden sollte, das wir je erlebt hatten. Wenn Dad durchdrehte, hatte jeder von uns seine eigene Art, dichtzumachen und sich abzuschirmen, und genau das taten wir an jenem Abend.
Im folgenden Frühjahr wurde ich zehn, aber Geburtstage wurden bei uns zu Hause nicht groß gefeiert. Manchmal steckte Mom ein paar Kerzen in einen Eisbecher, und wir sangen alle »Happy Birthday«. Hin und wieder besorgten Mom und Dad uns ein kleines Geschenk - ein Comic-Heft oder ein Paar Schuhe oder eine Garnitur Unterwäsche -, aber mindestens ebenso oft dachten sie gar nicht an unsere Geburtstage.
Daher war ich ein bisschen erstaunt, als Dad an meinem zehnten Geburtstag mit mir auf die Veranda hinterm Haus ging und fragte, was ich mir am sehnlichsten auf der Welt wünschte. »Das ist ein besonderer Anlass, schließlich wirst du jetzt zweistellig«, sagte er. »Du wächst so verdammt schnell, Bergziege, im Nu bist du flügge, und wenn es etwas gibt, das ich für dich tun kann, dann möchte ich es jetzt tun, ehe du fortgehst.«
Ich wusste, dass es Dad nicht darum ging, mir ein tolles Geschenk zu kaufen, zum Beispiel ein Pony oder eine Puppenstube. Er wollte wissen, was er jetzt, da ich schon fast erwachsen war, tun könnte, um meine letzten Jahre als Kind so schön zu machen, wie ich es mir wünschte. Es gab nur eines, was ich mir von ganzem Herzen wünschte, etwas, das unser aller Leben verändern würde, das wusste ich, aber ich hatte Angst, darum zu bitten. Allein der Gedanke daran, die Worte auszusprechen, machte mich nervös.
Dad sah meine Unsicherheit. Er ging auf die Knie, sodass er zu mir hochsah. »Was ist es?«, sagte er. »Raus damit.«
»Es ist eine große Sache.«
»Sag es einfach, Kleines.«
»Ich hab aber Angst.«
»Du weißt, wenn es menschenmöglich ist, erfüll ich dir den Wunsch. Und wenn es nicht menschenmöglich ist, werde ich bei dem Versuch sterben.«
Ich schaute hinauf zu den dünnen Wolkenwirbeln hoch oben am blauen Himmel über Arizona. Die Augen unverwandt auf diese fernen Wolken gerichtet, holte ich tief Luft und sagte: »Meinst du, du könntest vielleicht aufhören zu trinken?«
Dad sagte nichts. Er starrte nach unten auf den Zementboden der Veranda, und als er mich wieder ansah, hatte er einen verwundeten Blick in den Augen, wie ein getretener Hund. »Du musst dich schrecklich für deinen alten Herrn schämen«, sagte er.
»Nein«, sagte ich hastig. »Ich glaube bloß, dass Mom viel froher wäre. Außerdem hätten wir dann Geld übrig.«
»Du musst es nicht erklären«, sagte Dad. Seine Stimme war kaum noch ein Flüstern. Er stand auf, ging in den Garten und setzte sich unter die Orangenbäume. Ich ging ihm nach und setzte mich neben ihn. Ich wollte seine Hand nehmen, aber ehe ich danach greifen konnte, sagte er: »Nimm's mir nicht übel, Schätzchen, ich glaube, ich würde gern eine Weile allein hier sitzen.«
Am nächsten Morgen sagte Dad, dass er für die nächsten paar Tage allein im Schlafzimmer bleiben würde. Er wollte, dass wir Kinder uns von ihm fern hielten, den ganzen Tag draußen blieben und spielten. Der erste Tag verlief ohne Zwischenfälle, aber als ich am zweiten Tag aus der Schule kam, hörte ich ein fürchterliches Stöhnen aus dem Schlafzimmer.
»Dad?«, rief ich. Es kam keine Antwort. Ich machte die Tür auf.
Dad war mit Stricken und Gürteln ans Bett gefesselt. Ich weiß nicht, ob er das selbst gemacht hatte oder ob Mom ihm geholfen hatte, aber er kämpfte gegen die Fesseln an, bäumte sich auf und schrie Nein! und Aufhören! und Oh Gott! Sein Gesicht war grau und schweißnass. Ich rief nach ihm, aber er hörte
und sah mich nicht. Ich ging in die Küche und füllte einen leeren Orangensaftkanister mit Wasser. Dann setzte ich mich mit dem Kanister neben Dads Tür, für den Fall, dass er Durst bekam. Mom sah mich und sagte, ich solle rausgehen und spielen. Ich sagte, ich wollte lieber Dad helfen. Sie sagte, ich könne nichts tun, aber ich blieb trotzdem neben seiner Tür.
Dads Delirium dauerte Tage. Wenn ich von der Schule kam, holte ich den Wasserkanister, bezog Posten neben der Tür und
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