Schloss aus Glas
Konto«, sagte sie. »Wenn
wir erwischt werden, müssen wir nur eine Überziehungsgebühr bezahlen.« Sie erklärte, es wäre praktisch so, als würden wir einen Kredit aufnehmen, nur ohne den üblichen Papierkram. Aber als wir an dem Drive-in-Schalter hielten, schien Mom ein bisschen unruhig zu werden, und sie kicherte nervös, als sie den Auszahlungszettel unter der kugelsicheren Scheibe hindurchschob. Ich glaube, sie genoss das prickelnde Gefühl, die Reichen zu bestehlen.
Nachdem die Frau am Schalter ihr das Geld ausgezahlt hatte, fuhr Mom wieder zum Haupteingang der Bank, und eine Minute später kam Dad herausgeschlendert. Er stieg vorn ein, drehte sich zu uns Kindern um, hielt mit einem hämischen Grinsen einen Packen Banknoten hoch und fächerte ihn mit dem Daumen auf.
Dass Dad Probleme hatte, einen festen Job zu finden, lag, wie er uns immer wieder klar zu machen versuchte, daran, dass die Elektrikergewerkschaft in Phoenix korrupt war. Sie wurde von Banditen geleitet, sagte er, die sämtliche Bauprojekte in der Stadt kontrollierten, deshalb würde er erst dann einen anständigen Job bekommen, wenn er die Stadt von dem organisierten Verbrechen befreit hätte. Um das zu bewerkstelligen, sei sehr viel Undercover-Arbeit erforderlich, sagte er, und die entsprechenden Informationen ließen sich am besten in den Bars dieser Banditen beschaffen. Fortan hielt sich Dad überwiegend in deren Lokalen auf.
Mom verdrehte jedes Mal die Augen, wenn Dad von seiner Informationsbeschaffung anfing, und allmählich beschlichen auch mich Zweifel, was er eigentlich vorhatte. Oft kam er betrunken nach Hause und war in einer so wütenden Stimmung, dass Mom sich versteckte, während wir Kinder versuchten, ihn zu beruhigen. Er zerdepperte Fensterscheiben und zerschlug Geschirr und Möbel, bis er sich abreagiert hatte, und dann blickte er sich in dem Chaos um und sah uns Kinder da stehen. Sobald ihm klar wurde, was er angerichtet hatte, ließ er vor lauter Erschöpfung und Scham den Kopf hängen. Oft sank er auf die Knie und ließ sich mit dem Gesicht voran auf den Boden fallen.
Wenn Dad zusammengebrochen war, wollte ich das Tohuwabohu wieder aufräumen, aber Mom hielt mich stets davon ab. Sie hatte Bücher darüber gelesen, wie mit Alkoholikern umzugehen sei, und darin hieß es, dass die Trinker sich nicht an ihre Ausbrüche erinnerten, und wenn man für sie aufräumte, dachten sie, es wäre nichts passiert. »Dein Vater muss sehen, wie er unser Leben ruiniert«, sagte Mom. Aber wenn Dad wieder auf die Beine kam, tat er so, als gäbe es die ganzen Trümmer gar nicht, und keiner sprach ihn darauf an. Stattdessen mussten wir ständig über kaputte Möbel und Glassplitter steigen.
Mom hatte uns beigebracht, Dads Taschen zu leeren, wenn er seinen Rausch ausschlief. Nach einiger Zeit waren wir ziemlich gut darin. Einmal, nachdem ich Dad herumgerollt und eine Hand voll Wechselgeld ergattert hatte, löste ich seine Finger von der Flasche, die er noch in der Hand hielt. Sie war drei viertel leer. Ich starrte auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit. Mom rührte das Zeug nicht an, und ich fragte mich, was Dad daran so unwiderstehlich fand. Ich machte die Flasche auf und roch daran. Der widerwärtige Geruch stieg mir in die Nase, aber ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und trank einen Schluck. Es schmeckte schrecklich stark, rauchig und so scharf, dass mir die Zunge brannte. Ich rannte ins Badezimmer, spuckte alles aus und spülte mir den Mund mit Wasser.
»Ich habe gerade einen Schluck von dem Zeug hier getrunken«, sagte ich zu Brian. »Das schmeckt total ekelhaft.«
Brian riss mir die Flasche aus der Hand. Er kippte den Inhalt in der Küche in die Spüle, führte mich dann nach draußen zum Schuppen und öffnete eine Holztruhe, die ganz hinten stand und die Aufschrift »Spielkiste« trug. Sie war voll leerer Whiskeyflaschen. Immer wenn Dad weggetreten war, so erklärte Brian, stibitzte er ihm die Flasche, die er in der Mache hatte, leerte sie und versteckte sie in der Truhe. Sobald er zehn oder zwölf beisammenhatte, warf er sie in eine Mülltonne ein paar Blocks weiter, denn wenn Dad die leeren Flaschen fände, würde er ausrasten.
»Dieses Jahr wird Weihnachten schön, das hab ich im Gefühl«, verkündete Mom Anfang Dezember. Lori erinnerte sie daran, dass die letzten paar Monate nicht so gut gelaufen waren.
»Genau«, sagte Mom. »So zeigt Gott uns, dass wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen. Hilf dir selbst, dann
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